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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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zutiefst gerührt. Ich kniete hinter
ihr, senkte den Kopf und wartete. Jane Dormer trat aus dem Schlafzimmer
der Königin, in dem diese in den nicht mit dem König verbrachten
Nächten schlief, und gesellte sich zu uns. Es war offensichtlich, dass
etwas Wichtiges geschehen war. Nach einer guten halben Stunde stillen
Gebets rutschte ich zu Jane hinüber und fragte mit leiser Stimme, um
die Königin in ihrer Andacht nicht zu stören: »Was ist denn geschehen?«
    »Sie hat ihre Mensis nicht bekommen«, erwiderte Jane mit
heiserer Stimme.
    »Ihre Mensis?«
    »Ihre Monatsblutung. Sie könnte guter Hoffnung sein.«
    Ich spürte ein Schlingern in meinem eigenen Bauch; es war wie
eine kalte Hand in meiner Magengrube. »So bald schon?«
    »Dafür braucht es doch nur ein Mal«, gab mir Jane zu
verstehen. »Und – Gott segne sie – es ist öfter als
ein Mal gewesen.«
    »Und nun ist sie guter Hoffnung?« Ich hatte es zwar
vorhergesagt, konnte es aber kaum glauben. Und ich verspürte nicht die
Freude, die ich doch bei der Aussicht auf Erfüllung von Marias Träumen
hätte fühlen müssen. »Wirklich guter Hoffnung?«
    Jane hörte den Zweifel in meiner Stimme und bedachte mich mit
einem vorwurfsvollen Blick. »Woran zweifelst du, Närrin? An meinem
Wort? An ihrem? Oder glaubst du etwas zu wissen, das sich uns entzieht?«
    Jane Dormer nannte mich nur dann bei meinem Titel, wenn sie
mir wirklich böse war.
    »Ich zweifele an niemandes Worten«, beeilte ich mich zu
versichern. »Da sei Gott vor. Und keiner wünscht mehr als ich, dass die
Königin in anderen Umständen ist.«
    Jane schüttelte den Kopf. »Keiner wünscht dies mehr als sie«,
sagte sie, mit dem Kinn zu unserer Königin weisend, »denn sie betet
schon seit einem Jahr dafür. Oder besser gesagt: Sie betet darum,
England einen Sohn zu schenken, seit sie alt genug zum Beten ist.«

Herbst
1554
    D ie Königin verriet
Hofstaat und König
nichts über ihren Zustand, doch Jane beobachtete sie mit der Hingabe
einer sorgenden Mutter, und als die Königin im nächsten Monat, im
September, keine Blutung bekam, nickte sie mir triumphierend zu, und
ich grinste verständnisinnig. Danach musste sie es wohl dem König
zugeflüstert haben, denn nun konnte jeder an seiner vermehrten
Zärtlichkeit ermessen, dass sie sein Kind trug und dass dies für beide
ein geheimer Quell großer Freude war.
    Ihr Glück brachte den Palast zum Leuchten. Zum ersten Male,
seit ich am Königshofe lebte, war dieser von Freude und Glanz erfüllt.
Das Gefolge des Königs gab sich weiterhin stolz und glanzvoll, der
Ausspruch ›stolz wie ein Don‹ bürgerte sich rasch ein. Wenn man die
Spanier in ihren prächtigen Samtgewändern und geschmückt mit den
schweren Goldketten sah, konnte man auch nicht umhin, sie zu bewundern.
Ritten sie zur Jagd, so bekamen sie die besten Pferde, am Spieltisch
verspielten sie ein kleines Vermögen, ihr schallendes Lachen brachte
die Wände zum Erzittern, und ihr Tanz war formvollendet.
    Die englischen Adelsdamen drängten in den Dienst der Königin
und seufzten liebeskrank nach den Spaniern. Man las spanische Gedichte,
sang spanische Lieder und erlernte die neuen spanischen Kartenspiele.
Bei Hofe wurde geflirtet und musiziert, getanzt und gefeiert, und im
Zentrum dieser Lustbarkeiten stand die Königin, stets heiter und
lächelnd, und ihr junger Ehemann war immer an ihrer Seite. Wir waren
der höchstgebildete, eleganteste, reichste Hof in der ganzen
Christenheit, und wir wussten es. Mit Königin Maria an der strahlenden
Spitze dieses glänzenden Hofes tanzten wir auf dem Gipfel
selbstgefälligen Vergnügens.
    Im Oktober erhielt die Königin Nachricht, dass Elisabeth
erneut erkrankt sei. Sie lag auf einem Ruhebett und bat mich, ihr Sir
Henry Bedingfields Brief vorzulesen. Woodstock und Elisabeth und
Elisabeths mannigfaltige Intrigen schienen weit fort zu sein. Träumend
schaute die Königin aus dem Fenster in den Garten, in dem das Laub
Gold-, Gelb- und Bronzetöne angenommen hatte. »Sie kann gern meine
Ärzte in Anspruch nehmen, wenn sie darauf besteht«, sagte sie
zerstreut. »Würdest du mit ihnen reisen, Hannah? Und dich überzeugen,
ob es ihr wirklich so schlecht geht? Ich möchte nicht unfreundlich zu
ihr sein. Wenn sie doch nur ihren Anteil an der Intrige zugeben würde,
dann würde ich sie freilassen. Ich möchte nur im Augenblick nicht damit
behelligt werden.«
    Es war, als ob sie ihr eigenes Glück ganz für sich bewahren
müsse.
    »Wenn sie aber ihre Schuld

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