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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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rezitieren.
    Auch seine Befürchtungen und Sorgen klangen in mir nach, auch
wenn ich sie damals abgetan hatte. Auch wenn der spanische Hof mich
anzog wie ein Magnet, wusste ich doch, dass er Gefahr für mich
bedeutete und schlimmstenfalls mein Ende. Natürlich besaß Philipp in
England nicht die gleiche Macht wie in Spanien. Hier gab er sich
konziliant und war darauf bedacht, seine neuen Untertanen nicht zu
beleidigen und keine religiösen Unruhen zu schüren. Dennoch war Philipp
in einem Land aufgewachsen, das vom Gesetz seines Vaters und den
Forderungen der Inquisition beherrscht wurde. Die Gesetze von Philipps
Vater hatten meine Mutter auf den Scheiterhaufen und meinen Vater und
mich in Gefahr gebracht. Daniel war zu Recht vorsichtig, es war sogar
richtig, dass er meinen Vater und seine Familie außer Landes gebracht
hatte. Ich konnte mich hinter meiner Position als Hofnärrin der Königin
verstecken, andere jedoch durften sich darauf gefasst machen, eines
schönen Tages vor das Tribunal zitiert zu werden. Noch war die
gemeinsame Regentschaft Marias und Philipps jung, doch die Anzeichen
mehrten sich, dass die sagenhafte Barmherzigkeit der Königin –
stets so großzügig gegenüber jenen, die ihr den Thron hatten streitig
machen wollen – sich nicht auf jene erstreckte, die sich gegen
ihren Glauben stellten.
    Ich achtete sorgfältig darauf, jeden Tag, drei Mal am Tag, im
Gefolge der Königin zur Messe zu gehen, und nahm es sehr genau mit der
Befolgung der Rituale, deren Vernachlässigung so viele meines Volkes in
Spanien verraten hatte. Ich achtete zum Beispiel darauf, mich dem Altar
im richtigen Moment zuzuwenden, den Kopf beim Sakrament der Wandlung
demütig zu neigen, die Gebete korrekt nachzusprechen. Dies fiel mir
nicht schwer. Mein Glaube an den Gott meines Volkes, den Gott der Wüste
und des brennenden Dornbusches, den Gott der Exilierten und
Unterdrückten, war nie sehr glühend oder sehr stark gewesen, aber er
saß tief in meinem Herzen. Ich glaubte nicht, dass ich Ihn verriet,
indem ich fleißig den Kopf neigte und das obligatorische »Amen«
murmelte. Tatsächlich glaubte ich, dass Gott, wenn Er gemäß Seinem Plan
mein Volk zu den Ausgestoßenen der Christenheit erklärt hatte, sich
dann kaum daran stören würde, ob ein so unbedeutender Kopf wie der
meine sich an den richtigen Stellen der Messe hob und senkte.
    Doch die Tatsache, dass der spanische Hofstaat peinlich genau
auf die Einhaltung der Rituale achtete, bewirkte, dass ich Daniel für
seine Warnungen dankbar war. Schließlich beschloss ich, ihm und auch
meinem Vater zu schreiben und die Briefe einigen Soldaten mitzugeben.
Eine halbe Streitmacht war zurzeit unterwegs nach Calais, um die Stadt
gegen die Angriffe der Franzosen zu befestigen, die uns nun, da wir
einen spanischen Herrscher hatten, noch feindlicher gesonnen waren als
zuvor. Der Brief würde mich einiges Nachdenken kosten: Fiel er in die
Hände eines der unzähligen Spione, ob Engländer, Franzose, Spanier,
Venezianer oder gar Schwede, so musste er aussehen wie der unbedarfte
Liebesbrief eines jungen Mädchens an seinen Schatz. Ich musste mich
darauf verlassen, dass Daniel zwischen den Zeilen zu lesen vermochte.
    Lieber Daniel,
    ich habe Dir nicht früher
geantwortet, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte, außerdem war
ich bei der Prinzessin auf Schloss Woodstock und hätte von dort keinen
Brief schicken können. Nun weile ich bei der Königin in Winchester, und
wir fahren bald nach London, sodass ich Dir diesen Brief senden kann.
    Ich bin sehr froh, dass Deine
Geschäfte Dich nach Calais geführt haben, und ich verspreche, wie
abgemacht zu Dir und meinem Vater zu kommen, sobald sich meine
Situation ändert. Ich glaube, Du hast den rechten Zeitpunkt zur Abreise
gewählt, und ich halte mich bereit, bald schon zu euch zu stoßen.
    Ich habe Deinen Brief sehr
gründlich gelesen, Daniel, und ich denke oft an Dich. Ehrlich gesagt,
bin ich immer noch nicht sehr auf die Ehe erpicht, aber wenn Du so zu
mir sprichst wie in Deinem Brief, und wenn Du mich so küsst wie bei
unserem Abschied, dann fühle ich weder Angst noch Abscheu, sondern nur
eine Freude, für die ich keinen Namen finde, nicht, weil ich züchtig
tun will, sondern weil ich keinen Namen weiß. Du hast mir keine Angst
gemacht, Daniel, ich mochte Deinen Kuss. Ich würde Dich gerne zum Manne
nehmen, Daniel, wenn der Hof mich freigibt, wenn die Zeit gekommen ist
und wir beide gleichermaßen bereit sind. Ich muss gestehen,

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