Die Hofnärrin
war unter Fettwülsten verschwunden, die Augen wurden von
geröteten Lidern überwölbt, der hübsche Rosenknospenmund vom wulstigen
Fleisch ihrer Wangen überwuchert.
Selbst Elisabeths schöne Hände waren fett geworden. Ihre Ringe
hatte sie bereits abgelegt, da sie nicht mehr passten. Auch ihre
Fingernägel waren zur Hälfte von dem wuchernden Fleisch verdeckt.
Ich wartete, bis die Ärzte sie untersucht und zur Ader
gelassen hatten. Dann musste sie sich ausruhen, und erst danach betrat
ich ihre Kammer. Sie warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu und starrte
dann stumm zur Decke. Kat Ashley wischte aus der Tür und postierte sich
davor, um uns vor Neugierigen zu schützen. »Bleib nicht zu lange«,
sagte sie im Vorübergehen. »Sie ist sehr schwach.«
»Was fehlt ihr denn?«, flüsterte ich.
Sie hob die Schultern. »Die Ärzte wissen es nicht. Haben es
nie gewusst. Es ist eine Krankheit der Flüssigkeiten, sie schwillt an
vor Wasser und kann es nicht loswerden. Aber es wird schlimmer, wenn
sie unglücklich ist, und hier hat man sie sehr unglücklich gemacht.«
»Lady Elisabeth«, sagte ich und kniete beim Bett nieder.
»Treulose«, murmelte sie, immer noch mit geschlossenen Augen.
Ich musste ein Kichern wegen ihres unwiderstehlichen Hangs zum
Drama unterdrücken. »Ach Mylady«, seufzte ich. »Ihr wisst doch, ich
muss gehen, wohin ich geschickt werde. Wisst Ihr noch, wie ich zu Euch
in den Tower kam, ohne dass mich jemand geschickt hatte?«
»Ich weiß nur, dass du nach Winchester zur Hochzeit gefahren
bist und dass ich dich seitdem nicht gesehen habe.« Sie hob die Stimme,
um ihrem Zorn Ausdruck zu geben.
»Die Königin hat mir befohlen, sie nach London zu begleiten,
und nun hat sie mich zu Euch geschickt. Und ich soll Euch eine
Nachricht von ihr bringen.«
Elisabeth richtete sich ein wenig auf. »Ich bin fast zu krank
zum Zuhören, also fasse dich kurz. Soll ich endlich freigelassen
werden?«
»Wenn Ihr Eure Schuld zugebt.«
Unter den geschwollenen Lidern flammten ihre Augen dunkel auf.
»Sage mir genau, was sie dir aufgetragen hat.«
Präzise wie ein Schreiber teilte ich ihr die Botschaft der
Königin mit. Ich ließ nichts aus, nicht die Schwangerschaft, nicht ihre
Trauer über Elisabeths Rachsucht und nicht ihr Bestreben, wieder
Freunde zu sein.
Ich hatte erwartet, dass Elisabeth bei der Erwähnung der
Schwangerschaft von Wut ergriffen würde, doch sie hörte mich
kommentarlos an. Da begriff ich, dass sie es bereits gewusst hatte.
Somit musste sie einen Spion im engeren Kreis haben, denn dieser kannte
ein Geheimnis, das, wie ich geglaubt hatte, nur dem König, der Königin,
Jane Dormer und mir bekannt sei. Man durfte Elisabeth so wenig
unterschätzen wie einen in die Enge getriebenen Fuchs.
»Ich werde nachdenken über das, was du mir erzählt hast«,
sagte sie schließlich, ihrem üblichen Instinkt folgend, Zeit zu
gewinnen. »Sollst du nun bei mir bleiben? Oder ihr bald Antwort
bringen?«
»Ich soll erst zu Weihnachten wieder bei Hofe sein«, erwiderte
ich. Dann fasste ich mir ein Herz und fügte hinzu: »Wenn Ihr die
Verzeihung der Königin erlangt, könnt Ihr vielleicht auch um die
Weihnachtszeit wieder bei Hofe sein. Es geht sehr fröhlich dort zu,
Prinzessin, am Hofe sind viele spanische Granden, jeden Abend gibt es
Tanz, und die Königin ist sehr heiter.«
Sie wandte den Kopf ab. »Ich würde niemals mit einem Spanier
tanzen, selbst bei Hofe nicht.« Einen Moment lang verweilten ihre
Gedanken bei diesem Bild. »Und wenn sie sich um mich drängen und mich
anflehen, mit ihnen zu tanzen – ich würde nicht aufstehen.«
»Aber Ihr wäret die einzige Prinzessin«, versuchte ich sie zu
überreden. »Die einzige Prinzessin bei Hofe. Wenn Ihr Euch weigertet,
zu tanzen, würden sie Euch umso mehr anflehen. Und Ihr hättet neue
Kleider. Ihr wäret die einzige jungfräuliche Prinzessin in England,
eine Prinzessin am glanzvollsten Hofe der Welt.«
»Ich bin kein Kind, das man mit Spielzeug lockt«, gab sie mir
mit ruhiger Würde zu verstehen. »Und ich bin keine Närrin. Du kannst
dich nun zurückziehen, Hannah, du hast ihre Befehle gut erfüllt. Aber
für den Rest deines Aufenthaltes wirst du mir dienen.«
Ich nickte und erhob mich. Einen Moment zögerte ich. Sie
wirkte so schutzlos, wie sie da in ihrem Bett lag und entweder ein
Geständnis ablegen musste oder Einkerkerung und Entehrung zu erwarten
hatte. »Gott führe Euer Gnaden«, sagte ich, plötzlich mitleidig. »Gott
führe Euch,
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