Die Hofnärrin
eingesteht, so würden der Kronrat
oder der König sie doch sicher vor Gericht stellen wollen?«, wandte ich
ein.
Königin Maria schüttelte den Kopf. »Sie könnte mir allein
gestehen, und ich würde ihr vergeben«, sagte sie. »Ihre Mitverschwörer
sind entweder tot oder verbannt, sie hat niemanden mehr, um neue
Intrigen zu schmieden. Und ich trage einen Thronerben für England und
das große spanische Reich in mir, den mächtigsten Prinzen dieser Welt.
Elisabeth kann mir ihre Schuld eingestehen, und ich werde ihr
verzeihen. Und dann soll sie verheiratet werden; der König hat seinen
Cousin vorgeschlagen, den Herzog von Savoyen. Sage Elisabeth, dass die
Zeit des Wartens und des Misstrauens ein Ende hat, sage ihr, dass ich
guter Hoffnung bin. Sage ihr, dass mein Kind Anfang Mai auf die Welt
kommen wird. Jegliche Hoffnung, die sie auf den Thron hegen mag, wird
im nächsten Sommer zunichte sein. Sorge dafür, dass sie das begreift,
Hannah. Es hat viel böses Blut zwischen uns gegeben, doch wir können
unseren Zwist begraben, sobald sie sich einverstanden erklärt.«
Ich nickte.
»Sir Henry schreibt, sie besuche die Messe wie eine gute,
gläubige Christin«, fuhr sie fort. »Sag ihr, dass ich mich darüber
freue.« Sie überlegte. »Aber er schreibt auch, dass sie nach dem
Segensgebet für mich niemals ein ›Amen‹ spricht.« Wieder hielt sie
inne. »Was hältst du davon? Sie betet nicht für mich, Hannah.«
Ich schwieg. Hätte die Königin im Zorn gesprochen, dann hätte
ich vielleicht versucht, Elisabeth zu verteidigen, ihren Stolz und
ihren unabhängigen Geist. Doch die Königin war nicht zornig. Sie wirkte
nur ein wenig verletzt.
»Du weißt, wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich für sie
beten«, fuhr die Königin fort. »Ich schließe sie stets in meine Gebete
ein, weil sie meine Schwester ist. Du kannst ihr gern sagen, dass ich
jeden Tag für sie bete und dies seit der Zeit in Hatfield stets getan
habe, denn sie ist meine Schwester – und ich versuche, ihr das
Ränkeschmieden zu vergeben –, und ich versuche, mich auf ihre
Freilassung vorzubereiten. Ich will lernen, sie fürsorglich zu
behandeln, sie so barmherzig zu beurteilen, wie man eines Tages über
mich urteilen soll. Jeden Tag ihres Lebens bete ich für ihr
Wohlergehen – und dann muss ich erfahren, dass sie mein
Gnadengebet nicht einmal mit einem ›Amen‹ beenden möchte!«
»Euer Gnaden, sie ist eine junge Frau und steht ganz allein
da«, machte ich ruhig geltend. »Sie hat niemanden, der ihr Rat
erteilt.« In Wahrheit war ich jedoch beschämt über Elisabeths
Halsstarrigkeit und niedere Gesinnung.
»Sieh zu, ob du sie nicht etwas von deiner Weisheit lehren
kannst, meine Närrin«, schlug die Königin lächelnd vor.
Ich kniete nieder und beugte den Kopf. »Ich werde Euch
vermissen«, sagte ich ehrlich. »Besonders jetzt, wo Ihr so glücklich
seid.«
Sie legte mir ihre Hand auf den Kopf. »Ich werde dich auch
vermissen, mein kleiner Hofnarr. Doch du kommst ja rechtzeitig vor dem
Weihnachtsfest zurück, und danach sollst du mir in den Wochen vor der
Niederkunft Gesellschaft leisten.«
»Euer Gnaden, es wird mir so eine Freude sein, Euch
Gesellschaft zu leisten.«
»Ein Frühlingsbaby«, sagte sie träumerisch. »Ein kleines
Frühlingslamm für unseren Gott. Wird das nicht wunderbar sein, Hannah?
Ein Erbe für England und für Spanien.«
Von Whitehall nach Woodstock zu reiten war
wie eine Reise in ein anderes Land. Ich verließ einen glücklichen Hof
voller Zerstreuungen und optimistischer Erwartung eines Thronerben und
geriet in ein enges Gefängnis, versorgt von Elisabeths alten Dienern,
die nicht einmal in dem baufälligen Torhaus wohnen durften, sondern
ihre Dienste in der Schankstube eines nahe gelegenen Gasthauses
verrichten mussten.
In Woodstock fand ich Elisabeth ernstlich erkrankt vor.
Niemand hätte an ihrer Hinfälligkeit zweifeln können. Aufgedunsen lag
sie im Bett und wirkte um Jahre gealtert, sah nun sogar älter aus als
ihre Schwester. Mir war, als sei ihre Häme über die eigene Jugend und
Schönheit im Gegensatz zu der älteren unfruchtbaren Maria nun auf sie
selber zurückgefallen, denn sie war fett geworden wie die alte Anna von
Kleve, während die Königin aufgeblüht war wie eine griechische Göttin.
Mit ihren aufgetriebenen Hängebacken sah Elisabeth in erschreckender
Weise manchen Bildnissen ihres Vaters ähnlich. Die zarte
Mädchenschönheit war unter gröberen Zügen begraben worden: Die klare
Kinnlinie
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