Die Hofnärrin
Prinzessin Elisabeth, und helfe Euch sicher aus diesem
Gefängnis.«
Sie schloss ihre Augen, und ich sah, wie ihre Wimpern dunkel
vor Tränen wurden. »Amen«, flüsterte sie.
Elisabeth tat es nicht. Sie wollte nicht
gestehen. Sie war sich bewusst, dass ihre Sturheit sie möglicherweise
zu lebenslanger Haft in Woodstock verdammte, und sie fürchtete, dass
ihre Krankheit sie dahinraffen könnte, bevor der Groll der Königin
erloschen war. Doch ein Geständnis hätte sie Maria ausgeliefert, und
dazu konnte sie sich nicht überwinden. Sie misstraute Marias
Barmherzigkeit, und sie war stur – gnadenlos stur, ein beiden
Schwestern angeborener Charakterzug der Tudors. Maria war die erste
Thronerbin gewesen, dann ein Bastard, dann wieder Thronerbin. Und
Elisabeth hatte genau dieselben Prüfungen erdulden müssen. Beide hatten
beschlossen, niemals nachzugeben, stets ihr Geburtsrecht zu fordern,
niemals zu zweifeln, dass die Krone ihnen gebühre. Und diese
lebenslange Überzeugung würde Elisabeth niemals aufgeben, nicht einmal
für die Aussicht, in einem glücklichen Hofstaat glänzen zu können und
in Ehren empfangen zu werden. Ob schuldig oder nicht –
gestehen würde sie niemals.
»Was soll ich der Königin nun sagen?«, erkundigte ich mich,
nachdem eine lange Woche vergangen war. Die Ärzte hatten Elisabeth
wieder einmal als auf dem Wege der Besserung befindlich erklärt und
würden an meiner Statt der Königin die frohe Botschaft ausrichten. Und
wenn Elisabeth weiter genas, konnte sie Weihnachten einen triumphalen
Einzug bei Hofe halten – wenn sie sich nur dazu durchringen
könnte, zu gestehen!
»Du kannst ihr ein Rätsel ausrichten«, sagte Elisabeth mit
einem Anflug ihrer alten Boshaftigkeit. Sie thronte auf ihrem Stuhl,
ein Kissen zur Stütze im Rücken und einen erhitzten, in ein Laken
gewickelten Ziegelstein unter den kalten Füßen.
Ich wartete.
»Du kannst doch Verse machen, nicht wahr?«
»Nein, Prinzessin«, erwiderte ich schlicht. »Wie Ihr wisst,
bin ich kein Narr, der Verse schmiedet.«
»Dann werde ich dich einen Reim lehren«, sagte sie wütend. »Du
kannst ihn ja, wenn du willst, der Königin schreiben. Du kannst ihn in
jedes verfluchte Fenster in diesem Höllenloch ritzen, wenn du willst.«
Grimmig lächelte sie mich an. »Er geht so:
Groß war der Verdacht
Nichts hat er gebracht,
Sprach Elizabeth, Gefangene.
Findest du nicht, dass dies ein artiger Reim
ist?«
Ich machte eine Verbeugung und ging, der Königin den Brief zu
schreiben.
Winter
1554/1555
W ir warteten. Weihnachten kam und ging
vorüber, und auch für mich gab es kein Fest, da mir befohlen worden
war, bei Elisabeth zu bleiben, bis sie um Verzeihung nachsuchte. In
Woodstock war es eisig kalt, es gab kein Fenster, das dicht war, keinen
Kamin, der anständig zog. Die Bettwäsche war stets klamm, die Dielen
feucht, kurz, dies war ein Haus, in dem man sich im Winter den Tod
holen konnte. Ich hatte mich vor dem Herkommen guter Gesundheit
erfreut, doch selbst ich fühlte mich angegriffen von der unbarmherzigen
Kälte und dem Mangel an Licht. Und für Elisabeth, die bereits durch
ihre Haftzeit im Tower angegriffen war und die ohnehin dazu neigte, vor
Sorge krank zu werden, war dieses Haus geradezu tödlich.
Sie war zu krank, um sich an der Weihnachtsfeier zu erfreuen,
die schäbig genug war. Fahrende Komödianten kamen zum Schloss, doch die
Prinzessin war zu schwach, um sie zu empfangen; sie schaute nur durchs
Fenster und hob ihre Hand – niemals hätte Elisabeth ein
Publikum enttäuscht –, doch nachdem sie fort waren, sank sie
in die Kissen zurück und lag reglos da. Kat Ashley warf ein frisches
Scheit aufs Feuer, und es zischte erbärmlich und verbreitete stinkenden
Rauch.
Ich schrieb meinem Vater und wünschte ihm fröhliche
Weihnachten. Ich schrieb, dass ich ihn vermisste und hoffte, ihn bald
wiederzusehen. Ich fügte einen Brief an Daniel bei, dem ich meine
besten Wünsche sandte. Ein paar Wochen später, als Woodstock im kalten
Januarschnee der reinste Albtraum aus Kälte und Dunkelheit geworden
war, erhielt ich von beiden Antwort. Der Brief meines Vaters war kurz
und liebevoll: Er schrieb, die Geschäfte in Calais gingen gut, und bat
mich, bei meinem nächsten Aufenthalt in London in unserem alten Laden
nach dem Rechten zu schauen. Dann machte ich Daniels Brief auf.
Meine liebe zukünftige Frau,
ich schreibe Dir aus der Stadt
Padua, um Dir fröhliche Weihnachten zu wünschen. Ich hoffe, dieser
Brief trifft Dich bei
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