Die Hofnärrin
glühte. Die Höflinge saßen ab und riefen nach den Reitknechten.
Ich sprang vor, um ihr Pferd zu halten und meine Frage, ungehört von
den anderen, in ihr Ohr zu flüstern. »Prinzessin, habt Ihr irgendetwas
von John Dee gehört?«
Sie drehte mir den Rücken zu und tätschelte die Schulter ihres
Pferdes. »Ruhig, Sunburst«, sprach sie laut zu dem Tier. »Braves
Pferd.« Zu mir sagte sie in gedämpftem Ton: »Sie haben ihn wegen
Geisterbeschwörung und astrologischer Berechnungen verhaftet.«
»Was?«, fragte ich entsetzt.
Elisabeth wirkte vollkommen gefasst. »Es heißt, dass er
versucht hat, der Königin die Astrologietabelle zu stellen, und dass er
Geister gerufen hat, um die Zukunft vorauszusagen.«
»Wird er verraten, dass ihm andere dabei geholfen haben?«,
brachte ich keuchend heraus.
»Wenn sie ihn der Ketzerei anklagen, sollte man erwarten, dass
er singt wie eine kleine, blinde Drossel.« Sie drehte sich mit
strahlendem Lächeln zu mir um, als sei ihr Leben nicht ebenso in Gefahr
wie meines. »Sie binden ihn aufs Streckbrett, weißt du? Diesem Schmerz
widersteht niemand. Er wird sprechen.«
»Ketzerei?«
»So hat man mir gesagt.«
Sie warf ihrem Reitknecht die Zügel zu und schritt auf den
Palast zu, hielt mich an der Schulter.
»Sie werden ihn verbrennen?«
»Zweifellos.«
»Prinzessin, was sollen wir nur tun?!«
Sie legte ihren Arm um meine Schultern und drückte mich fest,
als wollte sie mir Mut einflößen. Ihre Hand zitterte nicht im
Geringsten. »Wir warten. Und hoffen, dass wir überleben. Wie immer,
Hannah. Warten und auf das Überleben hoffen.«
»Ihr werdet überleben«, sagte ich mit plötzlicher Bitterkeit.
Elisabeth wandte mir ihr leuchtendes Gesicht mit dem frohen
Lächeln zu. Ihre Augen jedoch waren wie schwarze Kohlensplitter. »Oh
ja«, sagte sie. »Das habe ich bis jetzt geschafft.«
Mitte Juni brach die immer noch schwangere
Königin mit der Tradition und gab sich selbst Ausgang aus der
Wochenbettkammer. Die Ärzte konnten nicht behaupten, dass frische Luft
ihrem Zustand abträglich sei, sie glaubten sogar, dass Spaziergänge an
der frischen Luft ihr wieder Appetit machen würden. Sie fürchteten
nämlich, die Königin äße nicht genug für ihr eigenes Wohlergehen und
das des Babys. So wandelte sie langsamen Schrittes in der Morgenkühle
oder an den schattigen Abenden durch ihren Privatgarten, nur von ihren
Hofdamen und den Bediensteten ihres Haushalts begleitet. Vor meinen
Augen verwandelte sie sich von der bezaubernden und betörten Frau, die
Prinz Philipp von Spanien geheiratet, sein Ehebett geteilt und
schwindelig machendes Glück erfahren hatte, wieder in die ängstliche,
vor der Zeit gealterte Frau, die ich damals kennengelernt hatte. Ihr
Vertrauen in Liebe und Glück schwand wie die Röte ihrer Wangen und das
Blau ihrer Augen, und ich sah, wie sie wieder von der Einsamkeit und
Furcht aus Kindheitstagen überwältigt wurde – fast wie eine
unheilbar Kranke, die dem Tod entgegengeht.
»Euer Hoheit.« Ich beugte mein Knie, als ich sie eines Morgens
in ihrem Garten traf. Sie hatte mit leerem Blick auf den schnell
fließenden Strom jenseits des Bootsanlegers gestarrt. In der Strömung
spielte eine Schar Entenküken, und die Entenmutter beobachtete wachsam
die kleinen paddelnden und tauchenden Flaumbälle. Selbst die Enten auf
der Themse hatten Nachwuchs, Englands Wiege jedoch mit dem
hoffnungsvollen Gedicht am Kopfende stand leer.
Sie wandte mir ihren leeren Blick zu. »Ach, Hannah.«
»Geht es Euch gut, Euer Majestät?«
Sie versuchte zu lächeln, doch ich sah, wie ihre Lippen sich
herabsenkten.
»Nein, Hannah, mein Kind. Mir geht es nicht sehr gut.«
»Habt Ihr Schmerzen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Über Schmerzen wäre ich froh, denn
das würde bedeuten, dass die Wehen kommen. Nein, Hannah. Ich fühle gar
nichts, weder in meinem Leib noch in meinem Herzen.«
Ich trat ein wenig näher. »Vielleicht sind dies Einbildungen,
wie sie vor der Niederkunft entstehen«, versuchte ich sie zu trösten.
»So wie es heißt, dass Frauen Heißhunger auf rohes Obst oder Kohle
bekommen.«
Wieder schüttelte sie den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht.«
Sie streckte mir ihre Hände entgegen, so geduldig wie ein krankes Kind.
»Kannst du nichts sehen, Hannah? Mit deiner Gabe? Kannst du etwas sehen
und mir die Wahrheit sagen?«
Fast unwillig nahm ich ihre Hände. Bei der Berührung fühlte
ich eine Welle der Verzweiflung und Kälte, als wäre ich in den Fluss
gefallen,
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