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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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wegen
verbrannt wurden. Ein besonders abscheulicher Fall war der einer
Schwangeren, die ihrem ersten Kind das Leben schenken sollte. Als sie
vor Gericht gezerrt wurde und sich nicht dem Diktat der
römisch-katholischen Priester unterwerfen wollte, wurde sie auf den
Scheiterhaufen gebracht. Als das Feuer angezündet war, setzten die
Wehen ein: Vor aller Augen gebar sie ihr Kind. Als das Baby zwischen
ihren zitternden Schenkeln zu Boden glitt und so laut weinte, dass es
das Prasseln der Flammen übertönte, schob der Henker das Kleine mit der
Heugabel ins Feuer zurück, als wäre es bloß ein schreiendes Bündel
Kienspäne.
    Man sorgte dafür, dass diese Geschichten der Königin nicht zu
Ohren kamen, ich jedoch war sicher, dass sie, wenn sie nur Bescheid
wüsste, diesen Grausamkeiten ein Ende setzen würde. Eine Frau, die ihr
eigenes Baby erwartete, konnte doch keine Schwangere auf den
Scheiterhaufen schicken! Als ich sie eines Morgens auf ihrem
Spaziergang begleitete, ergriff ich die Gelegenheit.
    »Euer Hoheit, darf ich Euch sprechen?«
    Mit einem Lächeln wandte sie sich zu mir um. »Ja, Hannah,
natürlich.«
    »Es betrifft eine Staatsangelegenheit, und ich dürfte
vielleicht nicht darüber urteilen«, begann ich behutsam. »Denn ich bin
eine junge Frau und verstehe es vielleicht nicht.«
    »Du verstehst was nicht?«, fragte sie.
    »Die Neuigkeiten aus London muten sehr grausam an«, wagte ich
mich auf dünnes Eis. »Es tut mir leid, wenn ich so plötzlich damit
anfange, aber in Eurem Namen werden viele Grausamkeiten verübt, und
Eure Ratgeber berichten Euch nichts davon.«
    Im Gefolge der Königin entstand Unruhe. Hinter den Hofdamen
erblickte ich Will Somers, der die Augen verdrehte.
    »Aber was meinst du denn damit, Hannah?«
    »Euer Gnaden, Ihr wisst, dass viele der einflussreichen
Protestanten in diesem Lande nur zum Schein zur Messe gehen, und dass
manche Priester ihre Frauen versteckt haben und den neuen Gesetzen nur
zum Schein gehorchen. Es trifft immer nur ihre Diener und die
ungebildeten Bauern in den Dörfern, die nicht gewitzt genug sind, um
bei einem Verhör zu lügen. Ihr wollt doch sicher nicht, dass das
einfache Volk für seinen Glauben verbrannt wird? Sicher wollt Ihr ihm
doch Barmherzigkeit zeigen?«
    Ich erwartete, sie würde nun mit einem Lächeln ihre Zustimmung
bekunden, doch stattdessen wandte sie mir ein finsteres Gesicht zu.
»Wenn es Sippen gibt, die nur zum Schein konvertiert sind, so will ich
ihre Namen wissen«, verkündete sie mit Härte in der Stimme. »Du hast
recht: Ich will nicht nur die Diener verbrennen, ich will, dass alle,
Herren und Untertanen gleichermaßen, wieder in den Schoß der Kirche
zurückkehren. Ich wäre eine armselige Königin, wenn ich nicht auf dem
gleichen Recht für Arm und Reich bestehen würde. Wenn du den Namen
eines Priesters kennst, der sein Weib versteckt, Hannah, dann solltest
du ihn mir lieber nennen, andernfalls setzt du deine unsterbliche Seele
aufs Spiel!«
    Ich hatte sie niemals so kalt erlebt.
    »Euer Hoheit!«
    Sie hatte mich gar nicht gehört. Sie legte eine Hand auf ihr
Herz und rief: »Ich schwöre zu Gott, Hannah, ich werde dieses Land vor
der Sünde retten, und wenn es noch so viele Leben kostet. Wir müssen
uns wieder Gott zuwenden und der Ketzerei abschwören, auch wenn dazu
Dutzende von Scheiterhaufen, Hunderte von Scheiterhaufen nötig sind.
Und wenn du, auch du, einen Namen verschweigst, so musst du ihn mir
sagen, Hannah. Es dürfen keine Ausnahmen gemacht werden. Selbst du
musst verhört werden. Wenn du mir nichts sagst, werde ich dich der
Befragung überantworten …«
    Ich spürte, wie alle Farbe aus meinem Gesicht wich und mein
Herz wild zu hämmern begann. Nachdem ich so lange überlebt hatte,
sollte ich mich in Gefahr begeben, mich aufs Streckbrett legen zu
lassen? »Euer Gnaden!«, stammelte ich. »Ich bin unschuldig …«
    In diesem Augenblick schrie jemand im Gefolge der Königin auf.
Wir alle fuhren herum. Eine Hofdame lief mit gerafften Röcken auf die
Königin zu. »Majestät!«, wimmerte sie. »Rettet mich vor dem Narren! Er
ist wahnsinnig geworden!«
    Will Somers hockte mit grotesk gespreizten Beinen auf dem
Rasen. Neben ihm saß ein smaragdgrüner Frosch, dessen hervorquellende
Augen blinzelten. Auch Will blinzelte, ahmte genau die Bewegungen des
Tieres nach.
    »Wir machen ein Rennen«, verkündete er mit Würde. »Monsieur le
Frog und ich haben gewettet, dass ich vor ihm am Ende des Obstgartens
ankomme. Doch er hat seine

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