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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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hin- und hergerissen. Alles sprach dafür, dass
er seiner Frau die Treue halten musste: Weil sie ihn liebte, weil sie
so verletzlich war, weil er die englischen Adeligen beschwichtigen und
den Kronrat der spanischen Politik gewogen halten musste, da das Volk
den zeugungsunfähigen spanischen König verhöhnte. All dessen war er
sich peinlich genau bewusst, denn er war ein brillanter Politiker und
Diplomat – doch er vermochte nichts gegen die Anziehung zu
unternehmen, die Elisabeth auf ihn ausübte. Wenn sie spazieren ging,
folgte er ihr. Wenn sie ausritt, ließ er sein Pferd holen und
galoppierte hinter ihr her. Wenn sie tanzte, schaute er zu und bat dann
um eine Wiederholung. Wenn sie lernte, lieh er ihr Bücher und
verbesserte ihre Aussprache wie ein gleichgültiger Lehrer, während doch
seine Augen stets auf ihren Lippen, ihrem Halsausschnitt, ihren im
Schoß gefalteten Händen ruhten.
    »Prinzessin, dies ist ein gefährliches Spiel«, warnte ich sie.
    »Hannah, dies ist mein Leben«, erwiderte sie einfach. »Mit dem
König auf meiner Seite habe ich nichts zu fürchten. Und wenn er frei
wäre, sich wieder zu verheiraten, könnte ich mir keine bessere Partie
wünschen.«
    »Der Mann Eurer Schwester? Während sie sein Kind erwartet?«,
fragte ich empört.
    Elisabeths niedergeschlagenen Augen waren schmale schwarze
Schlitze. »Vielleicht bin ich ja wie sie der Meinung, dass eine Allianz
zwischen Spanien und England die ganze Christenheit beherrschen kann«,
flötete sie.
    »Ja, das glaubt die Königin, und herausgekommen dabei ist
lediglich, dass sie die Gesetze der Ketzerei nun auf ihr eigenes Volk
anwendet«, gab ich säuerlich zurück. »Und dass sie nun einsam in einer
düsteren Kammer weilt, während ihre Schwester draußen im Sonnenschein
mit ihrem Ehemann kokettiert.«
    »Die Königin hat sich in einen Mann verliebt, der sie aus
politischen Gründen heiratete«, urteilte Elisabeth. »So töricht wäre
ich nie. Wenn er mich heiratete, wäre es genau umgekehrt. Ich wäre
diejenige, die aus politischen Erwägungen die Ehe einginge, und er der
Verliebte. Und dann würden wir ja sehen, wessen Herz zuerst bricht.«
    »Hat er Euch gesagt, dass er Euch liebt?«, flüsterte ich
entsetzt, da ich an die Königin dachte, in Einsamkeit dahinsiechend in
ihrem verschlossenen Zimmer. »Hat er gesagt, er werde Euch heiraten,
falls sie stirbt?«
    »Er betet mich an«, sagte Elisabeth mit stillem Vergnügen.
»Ich kann ihn dazu bringen, alles zu sagen, was ich will.«
    Es war schwierig, etwas über John Dee zu
erfahren, ohne allzu neugierig zu erscheinen. Er war verschwunden, als
hätte er nie existiert – verschwunden in den schrecklichen
Verliesen der englischen Inquisition, die in der St.-Paul's-Kathedrale
unter der Oberhoheit von Bischof Bonner residierte. Nach den
hochnotpeinlichen Befragungen wanderte jede Woche ein halbes Dutzend
bedauernswerter Männer und Frauen auf die Scheiterhaufen des
Smithfield-Marktes.
    »Gibt es etwas Neues über John Dee?«, fragte ich leise Will
Somers, als ich ihn eines Morgens auf einer Parkbank ausgestreckt fand,
wo er sich sonnte wie eine Eidechse.
    »Noch ist er nicht tot«, gab er mir mit geschlossenen Augen zu
verstehen. »Pst!«
    »Schläfst du?«, fragte ich, da ich mehr erfahren wollte.
    »Ich bin noch nicht tot«, sagte er. »Das haben er und ich
gemeinsam. Aber ich werde nicht aufs Streckbrett gebunden, mir wird
kein Gewicht von hundert Steinen auf die Brust gedrückt, und ich werde
nicht um Mitternacht, im Morgengrauen oder statt eines Frühstücks zum
Verhör geholt. Also haben wir doch nicht so viel gemeinsam.«
    »Hat er gestanden?« Meine Stimme war nur ein Hauch.
    »Kann er noch gar nicht«, erwiderte Will nüchtern. »Denn wenn
er gestanden hätte, wäre er jetzt tot, und da endet die Ähnlichkeit mit
mir, da ich nicht tot bin, sondern nur schlafend.«
    »Will …«
    »Tief schlafend und im Traum, und ich rede überhaupt nicht.«
    Ich begab mich auf die Suche nach Elisabeth.
Zuerst hatte ich überlegt, mit Kat Ashley zu reden, aber ich wusste,
dass sie mich wegen meiner Ergebenheit zwei Herrinnen gegenüber
verachtete, überdies zweifelte ich an ihrer Verschwiegenheit. Ich hörte
das Tuten der Jagdhörner und wusste, dass Elisabeth von einem Ausritt
zurückkehrte. Ich eilte zu den Ställen und kam vor den Hunden und
Reitern dort an. Elisabeth saß auf einem neuen schwarzen Hunter, einem
Geschenk des Königs, sie hatte ihren Hut schief aufgesetzt, und ihr
Gesicht

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