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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Spätestens September oder Oktober werde
ich bei Dir sein. Ich will Deine Frau werden, Daniel.
    Hannah

Herbst
1555
    I n Greenwich, dem Palast, in dem sie einst
am glücklichsten gewesen war, zog sich die Königin in schweigsames
Elend zurück. Vom König Abschied zu nehmen, war qualvoll genug gewesen.
Als typischer Mann hatte er sich vor ihrer Verzweiflung geschützt,
indem er die Förmlichkeit des Abschiednehmens für sich ausnutzte:
Niemals waren sie allein, und so war es der Königin versagt, ihn mit
Tränen zu rühren. Philipp fädelte es so ein, dass Maria beim Lebewohl
nur noch wie eine Marionette agieren konnte, deren Gliedmaßen und Mund
von einem gleichgültigen Puppenspieler dirigiert wurden. Als der König
dann abgereist war, schien es, als seien sämtliche Fäden gekappt, und
die Königin stürzte allen Haltes beraubt zu Boden.
    Die Prinzessin hatte sich von Philipp mit einem Lächeln
verabschiedet, das einige dahingehend deuteten, dass sie besser über
seine Rückkunft Bescheid wusste als seine Ehefrau und dass sein
Vorhaben ihre Zustimmung fand. Er besaß den Anstand, sie zum Abschied
nicht zu umarmen, doch als er an Bord des Segelschiffes ging und sich
über die Reling lehnte und winkte, küsste er seine Hand in einer
zweideutigen Geste: ein Gruß, der einerseits an die Prinzessin, zum
anderen an die unglückliche Königin gerichtet war.
    Die Königin lebte nun zurückgezogen in ihren verdunkelten
Gemächern und wollte nur von Jane Dormer oder mir bedient werden. Der
Hof wirkte wie von Geistern bevölkert, die von Marias Elend heimgesucht
wurden. Die wenigen spanischen Granden, die noch bei Hofe lebten,
wollten ihrem König nachreisen. Sie waren derart darauf erpicht, dass
wir begriffen, dass die englische Heirat nichts als ein Zwischenspiel
in ihrem wahren Leben gewesen war, und ein Fehler dazu. Als sie die
Königin um Erlaubnis baten, zu ihrem Herrn reisen zu dürfen, bekam
diese einen Eifersuchtsanfall und zürnte, sie wollten fortgehen, weil
sie genau wüssten, dass es keinen Sinn hatte, die Rückkehr des Königs
nach England zu erwarten. Königin Maria schrie die spanischen Adeligen
an, und diese verneigten sich höflich und ließen sie mit ihrem Zorn
stehen. Ihre Hofdamen verließen fluchtartig das Zimmer oder bemühten
sich krampfhaft, sich keinerlei Regung anmerken zu lassen. Nur Jane und
ich versuchten sie zu beruhigen. Sie war außer sich vor Wut. Wir
mussten ihre Arme festhalten, um sie daran zu hindern, ihren Kopf gegen
die Holzvertäfelung zu schlagen. Die Leidenschaft für diesen Mann
verwirrte ihre Sinne, ihr Anfall speiste sich von der Überzeugung, dass
sie ihn für immer verloren hätte.
    Nachdem der Zorn der Königin verraucht war, wurde es noch
schlimmer: Nun sackte sie zu Boden, zog die Knie an die Brust und
vergrub ihr Gesicht wie ein kleines Mädchen, das Prügel bezogen hat.
Wir konnten sie nicht dazu bewegen, sich zu erheben oder auch nur die
Augen zu öffnen. Stundenlang verharrte sie in dieser Stellung. Sie
versteckte sich, da sie von Verzweiflung und Scham erfüllt war, sich
von der Liebe derart knechten zu lassen. Ich saß neben ihr auf dem
kalten Holzboden und vermochte nichts zu sagen oder zu tun, um ihr in
ihrem Schmerz zu helfen. Langsam wurde der Rockschoß ihres Kleides
dunkel von Tränen, doch sie gab keinen Laut von sich.
    Königin Maria schwieg eine ganze Nacht und einen ganzen Tag
lang, und nach Ablauf dieses Tages war sie zu einer steinernen Statue
der Verzweiflung erstarrt. Als sie endlich wieder auf ihrem Thron Platz
nahm, war es so weit gekommen, dass die Spanier offen gegen den
erzwungenen Aufenthalt in England rebellierten, ein Umstand, der
wiederum die englischen Höflinge verärgerte. Das Leben bei Hofe war
nicht mehr wie in jenen Tagen, als Prinz Philipp gekommen war und
Königin Maria voller Liebe zur Frau genommen hatte. Dieser Königshof
mutete nun wie ein Kloster an, das von einer todkranken Äbtissin
geleitet wurde. Niemand wagte es, lauter als im Flüsterton zu sprechen,
es gab keine Zerstreuungen, und die Königin saß mit Elendsmiene auf dem
Thron und zog sich so oft wie möglich in ihre Gemächer zurück. Das
Leben bei Hofe bestand nur noch aus langen Tagen hoffnungslosen Wartens
auf die Rückkehr des Königs. Und wir alle wussten um die Vergeblichkeit
dieser Hoffnung.
    Da es nun keinen Mann mehr gab, den sie vor Liebe wahnsinnig
machen konnte, und keine Gelegenheit, die Königin noch elender zu
machen, verließ Prinzessin Elisabeth den Hof in

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