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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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der ein wenig Mitleid besitzt. Es sind gute Männer,
ehrenhafte Männer, ihr Vater persönlich hat sie eingesetzt. Diese
Männer haben ihren alten Glauben behalten, nur die Welt um sie herum
hat es leider nicht getan. Sie dürfen nicht auf Befehl der Königin
sterben, sonst wird sie in der Geschichte nur als blutige Königin
weiterleben, die Bischöfe verbrennen ließ.«
    Ich zögerte. »Ich kann das nicht tun, Will.«
    »Wenn du es tust, stehe ich dir zur Seite«, versprach er. »Ich
helfe dir. Wir stehen das zusammen durch.«
    »Du selbst hast mir gesagt, ich solle mich niemals
einmischen«, flüsterte ich gepresst. »Du selbst hast gesagt, ich solle
niemals versuchen, die Ansichten eines Königs zu ändern. Dein Gebieter
hat zwei Ehefrauen hinrichten lassen – von Bischöfen gar nicht
zu reden –, und ihn hast du auch nicht aufgehalten.«
    »Und die Geschichte wird sich seiner als Mörder seiner
Ehefrauen erinnern«, prophezeite Will. »Was sonst an ihm mutig und
ehrlich und wahrhaft war, wird vergessen sein. Man wird vergessen, dass
er dem Lande Frieden und Wohlstand brachte, dass er ein England schuf,
das wir alle lieben konnten. Nein, man wird ihn nur als den Mann in
Erinnerung behalten, der sechs Frauen hatte und zwei davon köpfen ließ.
    Und von dieser Königin wird man nur in Erinnerung behalten,
dass sie dem Land Überflutungen und Hunger und Scheiterhaufen gebracht
hat. Sie wird als Englands Fluch in Erinnerung bleiben, obwohl sie doch
als unsere jungfräuliche Königin, als Englands Retterin, angetreten
war.«
    »Sie wird nicht auf mich hören …«
    »Sie muss«, beharrte er. »Sonst wird sie verachtet und
vergessen werden, und irgendeine lose Dirne – weiß Gott wer!
Elisabeth! Maria Stuart! – wird anstelle dieser redlichen
Königin im Gedächtnis der Menschen bleiben.«
    »Sie hat nichts getan, außer ihrem Gewissen zu folgen«,
verteidigte ich meine Gebieterin.
    »Sie soll aber ihrem sanften Herzen folgen«, hielt Will
dagegen. »Ihr Gewissen ist dieser Tage kein guter Ratgeber. Sie muss
stattdessen ihrem zärtlichen Herzen folgen. Und du musst deine Pflicht
tun, wie es deine Liebe für sie gebietet, und es ihr sagen.«
    Ich erhob mich von der Kirchenbank. Mir zitterten die Knie.
»Ich habe Angst, Will«, sagte ich verzagt. »Ich habe zu viel Angst. Du
hast doch gesehen, wie sie reagiert hat, als ich mich einmal erkühnte,
zu sprechen … ich darf es nicht darauf ankommen lassen, dass
sie mich anklagt. Ich kann es nicht zulassen, dass jemand fragt, woher
ich komme, wer meine Familie ist …«
    Will musterte mich finster. »Jane Dormer will auch nicht mit
ihr reden«, sagte er. »Bei ihr habe ich es schon versucht. Die Königin
hat keinen Freund mehr außer dir.«
    Ich überlegte. Ich spürte, wie sein Wille und mein eigenes
Gewissen Druck ausübten und mich zwangen, trotz meiner Angst das
Richtige zu tun. »Na gut. Ich spreche mit ihr!«, brach es aus mir
heraus. »Aber ich mache es allein. Ich tue, was ich kann.«
    Will legte seine Hand auf meine. Ich zitterte, meine Finger
zitterten. »Kind, ist deine Angst denn so groß?«
    Einen Augenblick schaute ich ihn an. Wir hatten beide Angst.
Die Königin hatte ein Land geschaffen, in dem jeder Mann und jede Frau
bangen mussten, das Falsche zu sagen oder zu tun. Stets drohten die
Scheiterhaufen von Smithfield.
    »Ja«, sagte ich ehrlich und entzog ihm meine Hand, um den Ruß
von meiner Wange zu wischen. »Mein Leben lang bin ich vor dieser Angst
davongelaufen, und nun scheint es, als ginge ich geradewegs auf sie zu.«
    Ich wartete, bis die Königin zu Bett ging
und vor ihrem prie-Dieu im
Winkel ihres Schlafgemachs kniete. Ich kniete neben ihr, betete jedoch
nicht, sondern überlegte, was ich ihr sagen konnte, um sie von ihrem
schrecklichen Vorhaben abzubringen. Eine Stunde lang lag sie auf den
Knien, und als ich durch meine halb geschlossenen Lider zu ihr
hinüberspähte, sah ich, dass ihr Gesicht zur Statue des gekreuzigten
Jesus emporgewandt war und Tränen ihre Wangen hinabströmten.
    Endlich erhob sie sich und ging zu dem Stuhl am Kamin. Ich
holte den Schürhaken aus den glühenden Scheiten und steckte ihn in
einen Becher Bier, um es aufzuwärmen. Als ich ihr den Becher gab,
fühlte ich ihre eiskalten Hände.
    »Euer Hoheit, ich muss Euch etwas fragen«, begann ich leise.
    Sie schaute durch mich hindurch. »Was möchtest du, Hannah?«
    »In all den Jahren habe ich Euch nie um etwas gebeten«,
erinnerte ich sie.
    Sie runzelte leicht die

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