Die Hofnärrin
Dormer, die auf dem Fenstersitz an einem
Leinenhemd nähte. »Wie lange ist sie schon in dem Zustand?«
»Seit er es ihr heute Morgen mitgeteilt hat«, erwiderte sie
kühl. »Er hat ihre Hofdamen fortgeschickt, als sie anfing zu weinen.
Als er merkte, dass er sie nicht beruhigen konnte, ist auch er
hinausgegangen. Und weder er noch sie sind zurückgekommen.«
»Hat sie nichts gegessen? Habt Ihr ihr nichts gebracht?«
Jane Dormer funkelte mich zornig an. »Er hat ihr das Herz
gebrochen, genau wie du prophezeit hast«, erklärte sie kategorisch.
»Kannst du dich nicht mehr daran erinnern? Ich schon. Damals, als ich
ihr sein Porträt brachte, das mir solche Hoffnung machte, und als sie
so bezaubert war von ihm. Da hast du gesagt, er werde ihr das Herz
brechen, und so ist es auch gekommen. Er und dieses Baby, das da war
und dann von ihr ging! Er und seine spanischen Granden, die nichts
anderes wollen als Krieg mit Frankreich und die sich über England immer
nur beschwert haben! Jetzt hat er gesagt, dass er gegen die Franzosen
in den Krieg zieht, aber nicht, wann er zurückkommt – und sie
sieht es so, dass er sie verlässt, dass er sie im Stich lässt. Und sie
weint, als wollte sie Kummers sterben.«
»Sollten wir sie nicht zu Bett bringen?«
»Warum?«, fuhr Jane mich an. »Er wird nicht aus Verlangen in
ihr Bett kommen – und seine Gegenwart ist das Einzige, das ihr
helfen könnte.«
»Aber Mistress Jane, wir können doch nicht einfach tatenlos
herumsitzen, während sie sich die Augen aus dem Kopf weint!«
»Was sollen wir denn deiner Meinung nach tun?«, fragte sie.
»Sie hat ihr Glück in die Hände eines Mannes gelegt, dem sie so wenig
bedeutet, dass er sie nach dem Verlust ihres Babys verlässt –
und an der Liebe ihres Volkes hat ihm ohnehin nie etwas gelegen. Dieser
Mann besitzt nicht einmal genug Anstand und Mitleid, um ihr ein paar
Worte des Trostes zu sagen. Diese Wunde können wir nicht mit warmem
Bier und einem heißen Stein unter ihren Füßen heilen.«
»Nun, das könnten wir doch wenigstens besorgen«, sagte ich,
Janes Vorschlag sofort aufgreifend.
»Tu du es«, sagte sie. »Ich lasse sie nicht einen Augenblick
allein. Diese Frau könnte vor Einsamkeit sterben.«
Wieder ging ich zur Königin und kniete neben ihr nieder.
Wortlos, lautlos schlug sie ihre Stirn gegen den kalten Stein, wiegte
sich vor und zurück. »Euer Hoheit, ich gehe in die Küche, kann ich Euch
etwas zu essen oder zu trinken bringen?«
Sie richtete sich ein wenig auf, sah mich jedoch nicht an.
Ihre Stirn war blutig geschlagen. Ihr starrer Blick blieb auf den
leeren Kamin gerichtet, doch sie streckte eine kalte, kleine Hand aus
und ergriff meine. »Verlass mich nicht«, bat sie. »Du nicht auch noch.
Er verlässt mich, verstehst du, Hannah? Er hat es mir eben gesagt. Er
verlässt mich, und ich weiß nicht, wie ich es ertragen kann,
weiterzuleben.«
Lieber Vater,
habt Dank für den Segen in Eurem
Brief. Ich freue mich, dass es Euch gutgeht und dass Euer Geschäft in
Calais blüht. Ich hätte Eurem Wunsch gern entsprochen und wäre sofort
zu Euch gekommen, doch als ich die Königin um Erlaubnis bitten wollte,
fand ich sie so krank vor, dass ich sie nicht verlassen konnte,
zumindest in diesem Monat noch nicht. Der König lässt die Segel setzen,
um in die Niederlande zu reisen, und sie kann ohne ihn nicht glücklich
sein, sie ist untröstlich. Wir sind nun nach Greenwich umgesiedelt, und
der ganze Hofstaat wirkt wie in Trauer. Ich werde bei ihr bleiben, bis
der König zurückkehrt, wie er versprochen hat, und das wird vermutlich
bald sein. Wenn er wiederkehrt, kann ich ohne Säumen zu Euch kommen.
Ich hoffe, Ihr seid damit einverstanden, Vater, und erklärt Daniel und
seiner Mutter, dass ich lieber bei ihnen sein würde, doch ich sehe es
als meine Pflicht an, in der Zeit ihres Unglücks bei der Königin zu
bleiben.
Ich wünsche Euch alles Liebe und
verbleibe in der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen –
Eure Hannah
Lieber Daniel,
vergib mir, ich kann noch nicht zu
Dir kommen. Die Königin ist so verzweifelt, dass ich nicht wage, sie zu
verlassen. Der König ist abgereist, und nun hält sie an ihren anderen
Freunden fest. Sie ist so verloren, dass ich um ihren Verstand fürchte.
Vergib mir, Liebster, ich werde zu Dir kommen, so schnell ich kann. Der
König hat versichert, er werde nur kurz fort sein, er wolle seine
Interessen in den Niederlanden verteidigen, und so erwarten wir ihn
innerhalb eines Monats zurück.
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