Die Hofnärrin
kleinen
Spiegel und warfen schiefe Blicke auf das nachwachsende Haar unter
meiner Haube, das einem Scheuerbesen glich. Meine Kleider und meine
Wäsche waren neu und Gegenstände heimlichen Neides, ab und zu wurde
auch das eine oder andere Teil stillschweigend geborgt. Kurz gesagt:
Sie waren so gehässig und bösartig wie alle jungen Mädchen, und in
vielen Nächten bohrte ich mein Gesicht in die Strohmatratze und weinte
stumm vor Wut und Verzweiflung.
Daniels Mutter sagte nie etwas zu mir, dessentwegen ich mich
bei Daniel hätte beschweren können. Und doch gab sie mir auch ohne
Worte das Gefühl, nicht gut genug für ihren Sohn, für ihre Familie zu
sein. Ich beherrschte keine häusliche Arbeit, meine Erscheinung war
peinlich, die Befolgung der Gebote unserer Religion
lückenhaft – außerdem war ich eine pflichtvergessene Tochter
und würde mich deshalb wahrscheinlich zu einer ungehorsamen Ehefrau
entwickeln. Wenn Daniels Mutter jemals die Wahrheit ausgesprochen
hätte, hätte sie zugeben müssen, dass sie mich nicht ausstehen konnte;
doch die Wahrheit, so schien mir, konnte sie über gar nichts sagen.
»Dann können wir also glücklich zusammenleben«, schloss
Daniel. »Und in Sicherheit. Und zusammen. Du bist doch glücklich,
Liebes, oder nicht?«
Ich zögerte. »Ich komme mit deinen Schwestern nicht sehr gut
zurecht, und vor deiner Mutter kann ich mich nicht bewähren«, rückte
ich schließlich heraus.
Er nickte, denn dies war ihm nichts Neues. »Sie werden sich
schon beruhigen«, meinte er. »Sie werden noch vernünftig. Es kommt
darauf an, dass wir zusammenstehen. Wenn wir überleben wollen, müssen
wir zusammenhalten. Wir alle müssen lernen, Abstriche zu machen, dann
werden wir schon glücklich werden.«
Ich nickte und verschwieg ihm meine mannigfachen Bedenken.
»Ich hoffe es«, sagte ich und erntete ein Lächeln als Dank.
Ende Juni, als alle meine Kleider genäht und mein Haar so lang
gewachsen war, dass ich – wie Daniels Mutter es
ausdrückte – passabel war, heirateten wir in der Eglise de
Notre Dame, der großen Kirche von Calais, in der die Säulenwölbungen zu
einer französischen Kathedrale gehörten, obenauf jedoch ein großer
englischer Kirchturm thronte. Es war eine christliche Hochzeit mit
anschließender Messe, und jeder von uns achtete darauf, die Zeremonie
peinlich genau einzuhalten. Bei der nachfolgenden Feier im engsten
Kreise in dem Haus in der London Street hielten Daniels Schwestern ein
Umschlagtuch als Traubaldachin – dem Symbol für das
Heim – über unsere Köpfe, während mein Vater die sieben
Segenssprüche für eine Hochzeit rezitierte, soweit er sie noch kannte,
und Daniels Mutter ein in Stoff geschlagenes Glas zu Füßen ihres Sohnes
legte, damit er es zertrat. Dann schlugen wir Fensterläden und Türen
auf und luden unsere Nachbarn zu Geschenken und Tanz ein.
Die quälende Frage, wo das frisch verheiratete Paar schlafen
sollte, war von meinem Vater gelöst worden, der auf eine Schlafkoje
neben seiner Druckerpresse umgezogen war, da durch das Überdachen des
Hofes ein Extrazimmer entstanden war. So bekamen Daniel und ich Vaters
ehemaliges Zimmer im oberen Stock, das nur durch eine dünne Gipswand
von seiner schlaflosen Mutter auf der einen und seinen neugierigen,
lauschenden Schwestern auf der anderen Seite getrennt war.
In unserer Hochzeitsnacht fielen wir übereinander her, denn
wir sehnten uns nach dem Liebeserlebnis, das uns zu lange versagt
geblieben war. Man hatte uns mit Gelächter und Witzen und gespielter
Verlegenheit zu Bett gebracht, und sobald alle sich entfernt hatten,
verriegelte Daniel die Tür, schlug die Läden zu und zerrte mich ins
Bett. Um ungestört zu sein, zogen wir uns die Bettdecke über den Kopf
und küssten und liebkosten uns in der heißen Dunkelheit in der
Hoffnung, dass die dicken Decken unsere Liebeslaute dämpfen würden.
Doch Daniels Berührung entlockte mir alsbald einen heiseren, keuchenden
Schrei. Erschrocken hielt ich inne und presste die Hand vor den Mund.
»Das macht doch nichts«, sagte Daniel und löste meine Finger,
um meine Lippen zu küssen.
»Doch, es macht etwas«, sagte ich wahrheitsgemäß.
»Küss mich!«, flehte er.
»Ja, aber ganz leise …«
Ich küsste ihn und spürte, wie er dahinschmolz. Er rollte sich
auf den Rücken und dirigierte mich, sodass ich rittlings auf ihm zu
sitzen kam. Bei der ersten Berührung mit seinem harten Geschlecht
stöhnte ich vor Lust und biss mich in den Handrücken, um nicht
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