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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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wissen.«
    »Es geht nur sie und Daniel etwas an.«
    »Es geht uns alle an!«
    »Ja, ich werde ihn heiraten«, sagte ich, um ihrem Zank ein
Ende zu setzen.
    Zwei neugierige Gesichter fuhren zu mir herum. »Ach ja?«,
machte Mary. »Du hast also den Hof verlassen?«
    »Ja.«
    »Und du wirst nicht zurückgehen?«, fragte Sarah.
    »Nein«, erwiderte ich fest und bemühte mich, mein Bedauern
nicht hörbar werden zu lassen.
    »Wird es dir dann nicht langweilig werden, nach all den
Aufregungen bei Hofe? Daniel hat erzählt, dass du der Königin manchmal
den ganzen Tag Gesellschaft geleistet hast.«
    »Ich werde wohl meinem Vater im Geschäft helfen«, sagte ich.
    Sie starrten mich entsetzt an, als sei die Vorstellung, mit
Büchern und einer Druckerpresse zu arbeiten, einschüchternder als die
Aussicht, Daniel zu heiraten und bei ihnen zu leben.
    »Wo werdet ihr schlafen, du und Daniel?«, fing Mary wieder an.
    »Mary! Also wirklich!«
    »Nun, sie können wohl kaum auf dem Rollbett schlafen«, stellte
Mary vernünftig fest. »Und Mutter kann man nicht bitten, umzuziehen.
Und wir haben immer das beste Schlafzimmer gehabt.«
    »Das werden Daniel und ich noch entscheiden«, sagte ich leicht
gereizt. »Und wenn hier nicht genug Platz für uns ist, nehmen wir uns
ein eigenes Haus.«
    Mary stieß einen leisen Schreckensschrei aus. In diesem Moment
kam die Mutter wieder die Treppe herauf.
    »Was gibt es, Kind?«, wollte sie wissen.
    »Hannah ist noch keine fünf Minuten bei uns, und schon sagt
sie, dass sie und Daniel woanders wohnen wollen!«, rief Mary aus, halb
in Tränen. »Sie fängt bereits an, uns Daniel wegzunehmen! Genau, wie
ich gesagt habe! Sie wird alles verderben!« Sie sprang auf, riss die
Tür auf und rannte in ihr Zimmer, warf die Tür mit einem lauten Knall
ins Schloss. Dann hörten wir, wie sie sich aufs Bett warf.
    »Also wirklich!«, rief ihre Mutter ärgerlich aus. »Das ist
doch lächerlich!«
    Ich wollte ihr schon zustimmen, doch dann sah ich, dass ihr
anklagender Blick mir galt.
    »Wie konntest du Mary am ersten Tag so aufregen?«, fuhr sie
mich an. »Jeder weiß doch, wie leicht sie sich aufregt, und sie liebt
ihren Bruder über alles. Du wirst lernen müssen, deine Zunge im Zaum zu
halten, Miss Hannah. Du bist jetzt Teil einer Familie. Du hast nicht
mehr das Recht, dein Herz auf der Zunge zu tragen, wie du es als
Hofnärrin getan hast.«
    Einen Moment war ich wie erstarrt und konnte nichts zu meiner
Verteidigung sagen. Dann stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen
hervor: »Es tut mir leid!«

Sommer
1556
    E r war ein langer, heißer Sommer, dieser
erste Sommer in Calais. Ich betete die Sonne an, als wäre ich ein
Heide, und als Daniel sagte, er sei überzeugt von der neuen Theorie,
dass in der großen Leere des Alls die Erde die Sonne umkreise und nicht
umgekehrt, fand ich dies äußerst einleuchtend, fühlte ich doch, wie ich
mich im Lichte gleich einer Blüte entfaltete.
    Ich lungerte auf den Plätzen herum und schlenderte am
Fischerkai entlang, freute mich am Glitzern der Sonnenstrahlen auf dem
Wasser im Hafenbecken. Bei den Einheimischen hieß dieser Ort Le Bassin
du Paradis, und im hellen Sonnenschein kam er mir wirklich wie das
Paradies vor. Wann immer ich konnte, fand ich einen Vorwand, die Stadt
zu verlassen, und schlüpfte zum Tor hinaus, an dem die nachlässigen
Wächter Stadtbewohner und Bauern ungehindert passieren ließen. Vor der
Stadtmauer streifte ich durch kleine Gemüsegärten, roch den Duft der
warmen, frischen Erde und sehnte mich danach, weiterzugehen, zum Strand
hinab, zu den hohen Brandungswellen, oder über die Marschen zu wandern,
wo Fischreiher hoheitsvoll ihr Spiegelbild im Wasser betrachteten, und
weiter ins Land, wo ich hinter hellgrünen Wiesen dunkle Wälder erahnte.
    Ja, dieser Sommer sollte lang und schön werden, doch für mich
dehnte er sich aus zu einer Qual. Daniel und ich lebten zwar unter
einem Dach, doch da man uns kaum einmal allein ließ, mussten wir
zwangsläufig keusch bleiben. Ich sehnte mich nach seiner Berührung,
seinem Kuss und nach dem Vergnügen, das er mir in der Nacht der
Überfahrt verschafft hatte. Auch er konnte es kaum ertragen, mir nahe
zu kommen, weil er sich zurückhalten musste, sich keinesfalls mehr
erlauben durfte als einen flüchtigen Kuss auf die Lippen oder auf die
Hand. Wenn er mir auf der Treppe oder in einem der engen Zimmer nahe
kam, zitterte er, und wenn er mir einen Teller oder ein Glas reichte
und dabei meine Hand berührte,

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