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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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sehnte ich mich nach seiner Liebkosung.
Keiner von uns durfte sein Verlangen offen zeigen, doch ganz verbergen
konnten wir es auch nicht, und ich hasste es, wenn seine Schwestern
unverhohlene Neugier zeigten und forschende Blicke zwischen uns hin-
und hergingen.
    Bereits in der ersten Woche musste ich meine Hose ablegen und
ein Kleid tragen, und bald darauf begann die Unterweisung, wie eine
junge Dame sich zu benehmen habe. Wie es schien, bestand zwischen
meinem Vater und Daniels Mutter eine stillschweigende Übereinkunft,
dass sie mich in den Fertigkeiten unterrichten sollte, die einer jungen
Dame wohl anstanden. Alles, was meine Mutter mir an häuslichen
Fähigkeiten beigebracht hatte, musste ich in dem Moment, als wir
Spanien verließen, anscheinend vergessen haben. Und seither hatte mich
niemand mehr gelehrt, wie man kochte und buk, wie man butterte, wie man
Molke aus Käse presste. Niemand hatte mir beigebracht, wie man Tuche
mit Bilsenkraut und Lavendel in Truhen verwahrte, wie man einen Tisch
deckte, wie man Sahne abschöpfte. Mein Vater und ich hatten in
friedlicher Eintracht als Meister und Lehrling miteinander gelebt. Am
Königshof hatte ich Schwertkampf, Äquilibristik und Spaßmacherei von
Will Somers erlernt, politische Winkelzüge und sinnliches Verlangen von
Robert Dudley, Mathematik von John Dee und die Kunst der Spionage von
Prinzessin Elisabeth. Für den Haushalt eines jungen Arztes hingegen
brachte ich keine erlernten Fähigkeiten mit. Ich war weder eine junge
Dame noch eine Ehefrau. Deshalb hatte sich Daniels Mutter die Pflicht
aufgeladen, ›mich vorzunehmen‹.
    Doch ich war eine mürrische, unwillige Schülerin. Ich war
einfach nicht für Hausarbeit begabt. Es interessierte mich nicht, eine
Messingpfanne so lange mit Sand zu scheuern, bis sie blitzte. Es
interessierte mich nicht, die Stufen vor der Haustür mit der
Scheuerbürste zu bearbeiten. Ich sah keinen Sinn darin, Kartoffeln so
dünn zu schälen, dass nichts vergeudet wurde, und gab die dicken
Schalen unseren Hühnern, die wir in einem kleinen Gehege vor der
Stadtmauer hielten. Ich wollte keine dieser Fertigkeiten erlernen, da
ich ihren Sinn nicht begriff.
    »Als Ehefrau wirst du es aber können müssen«, mahnte Daniel
vernünftig. Ich war seiner Mutter entwischt, um ihn auf dem Rückweg von
seiner Arbeit auf dem Marktplatz vor dem großen Stapelhaus abzupassen,
damit ich ihn unter vier Augen sprechen konnte. Im Haus war dies nicht
möglich, da hier allein seine Mutter das Sagen hatte.
    »Warum muss ich das lernen? Du kannst es ja auch nicht!«
    »Ich gehe ja auch arbeiten. Du aber wirst dich um unsere
Kinder kümmern und die Mahlzeiten zubereiten müssen.«
    »Ich dachte, ich würde eine Druckerei haben wie mein Vater.«
    »Und wer soll dann kochen und das Haus sauber halten?«
    »Können wir nicht ein Dienstmädchen haben?«
    Daniel erstickte fast vor Lachen. »Später vielleicht. Aber ich
stehe erst am Anfang meiner Laufbahn, Hannah, ich kann mir kein
Dienstmädchen leisten. Ich bin nicht reich. Wenn ich meine eigene
Praxis eröffne, haben wir nur mein Honorar zum Leben.«
    »Und können wir dann ein eigenes Haus haben?«
    Er zog meine Hand in seine Ellbogenbeuge, als fürchtete er,
ich könnte mich ihm entziehen, sobald ich die Antwort hörte. »Nein«,
sagte er. »Vielleicht können wir eines Tages in Genua ein größeres Haus
finden. Aber ich muss meinen Schwestern und meiner Mutter stets ein
Obdach bieten – und auch deinem Vater. Das willst du doch
sicher auch?«
    Ich schwieg. Um die Wahrheit zu sagen – ich wollte
schon mit meinem Vater zusammenleben, und mit Daniel. Es waren seine
Mutter und seine Schwestern, die ich kaum ertragen konnte. Aber ich
konnte ihm wohl kaum sagen, dass ich gern mit meinem Vater, aber nicht
mit seiner Mutter zusammenleben wollte.
    »Ich dachte, wir würden allein sein«, schwindelte ich.
    »Ich muss für meine Mutter und meine Schwestern sorgen«, sagte
Daniel. »Das ist meine heilige Pflicht. Das weißt du ganz genau.«
    Ich nickte. Ich wusste es.
    »Sind sie unfreundlich gewesen?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich konnte mich nicht über schlechte
Behandlung beklagen. Ich schlief in einem Rollbett im Zimmer der
Schwestern und hörte sie jede Nacht vor dem Einschlafen tuscheln, wobei
ich mir einbildete, dass sie über mich redeten. Am Morgen zogen sie die
Bettvorhänge vor, damit ich sie nicht beim Ankleiden beobachten konnte.
Später kämmten und flochten sie einander die Haare vor dem

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