Die Hofnärrin
sagte sie.
Ich warf ihr einen raschen Blick zu. Zum ersten Mal hatte sie
mich gegen Marys scharfe Zunge in Schutz genommen. Doch dann begriff
ich, dass sie mich nicht als Hannah verteidigt hatte und auch nicht als
Daniels Frau, sondern weil sie hoffte, dass ich schwanger war. Sie
wollte einen kleinen Jungen, einen weiteren Knaben für das Haus Israel,
einen neuen kleinen d'Israeli, der die Reihe fortsetzen sollte. Und
sollte ich ihn bekommen, solange sie noch jung und agil war, so konnte
sie ihn wie ihr eigenes Kind großziehen und sich mit ihm brüsten. »Mein
kleiner Enkel, der Sohn von meinem Sohn, dem Arzt.«
Hätte ich nicht drei Jahre in Diensten des Königshofes
gestanden, hätte ich unablässig mit meiner lieben Schwiegermutter und
meinen reizenden Schwägerinnen gekämpft, so aber bescheidete ich mich,
weil ich Schlimmeres gesehen und gehört und erduldet hatte. Ich wusste,
sobald ich mich bei Daniel über sie beschwerte, würde ich seine Sorge
um sie, mich und seine zukünftige Familie nur verschlimmern.
Er war zu jung, um die Verantwortung für die Wohlbehaltenheit
der Seinen in diesen schweren Zeiten auf sich zu nehmen. Er studierte,
um Arzt zu werden, und jeden Tag musste er Männern und Frauen, die
fassungslos dem Tode gegenüberstanden, weisen Rat erteilen. Es war
nicht nötig, dass er abends zu einem Hexenzirkel zurückkehrte, der sich
durch Neid und Missgunst das Leben zur Hölle machte.
So hielt ich meinen Mund, und wenn seine Schwestern Witze auf
meine Kosten machten oder sogar offen die Qualität des von mir auf dem
Markt gekauften Brotes bemängelten oder meine tintenbefleckten Hände
oder meine Bücher auf dem Küchentisch, sagte ich nichts darauf. Ich war
ja bei Hofe gewesen und hatte erlebt, wie die Ehrendamen um die
Aufmerksamkeit der Königin buhlten. Ich kannte sämtliche Formen
weiblicher Bosheit, ich hätte nur nie geglaubt, dass sie auch in
schlichter Häuslichkeit zu erdulden wären.
Mein Vater spürte die angespannte Situation ebenfalls und
versuchte, mich zu beschützen. Er gab mir Texte zum Übersetzen, sodass
ich friedlich an der Ladentheke sitzen und Latein in Englisch oder
Englisch in Französisch übertragen konnte, während der vertraute
Tintengeruch von der Presse im Hof beruhigend zu mir hereinwehte.
Manchmal half ich auch beim Drucken, aber die Klagen von Mrs. Carpenter
über Tintenflecke auf Schürze oder Kleid waren so heftig, dass Vater
und ich danach trachteten, ihren Ärger nicht noch zu mehren.
Im Fortgang des Sommers gab mir Daniels Mutter das Beste der
Mahlzeiten, das Brustfleisch der mageren französischen Hühnchen und die
dicksten und saftigsten Pfirsiche – und nun ging mir auf, dass
sie auf eine freudige Botschaft wartete. In den letzten Augusttagen
konnte sie nicht länger an sich halten.
»Hast du mir etwas zu sagen, Tochter?«, fragte sie.
Ich erstarrte. Es war stets ein Schock, von ihr ›Tochter‹
genannt zu werden. Ich wollte keine andere Mutter als die, die mich
geboren hatte. Tatsächlich fand ich es unverschämt von dieser lieblosen
Frau, mich so zu betiteln. Ich war meiner Mutter Kind und nicht ihres,
und hätte ich mir irgendeine andere Mutter aussuchen können, so hätte
ich die Königin gewählt, die meinen Kopf in ihren Schoß gelegt, meine
Locken gestreichelt und mir oft gesagt hatte, dass sie mir vertraute.
Außerdem kannte ich Daniels Mutter nun gut genug. Ich hatte
sie den ganzen Sommer über beobachtet und kannte nun ihren Charakter.
Wenn sie mich ›Tochter‹ nannte oder mich lobte, weil ich mein Haar gut
gekämmt hatte, ging es ihr meistens um ganz anderes: um eine Neuigkeit,
ein Versprechen, ein Stück Vertraulichkeit. Ich quittierte ihren Eifer
mit leisem Lächeln und wartete ab.
»Willst du mir nicht etwas sagen?«, drängte sie. »Eine kleine
Bestätigung, die eine alte Frau sehr, sehr glücklich machen würde?«
Völlig klar, worauf sie aus war. »Nein«, erwiderte ich.
»Bist du noch nicht sicher?«
»Sicher ist, dass ich nicht schwanger bin, falls Ihr das
gemeint habt«, gab ich ihr zu verstehen. »Vor zwei Wochen hatte ich
meine Blutung. Wolltet Ihr noch etwas wissen?«
Sie war so begierig, etwas zu erfahren, dass sie meine
Ruppigkeit überhörte. »Was ist denn los mit dir?«, verlangte sie zu
wissen. »Daniel hat dich seit der Hochzeit mindestens zwei Mal in der
Woche gehabt. An ihm liegt es nicht. Bist du vielleicht krank?«
»Nein«, erwiderte ich mit kalten Lippen. Natürlich wusste sie
ganz genau, wie oft wir
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