Die Hofnärrin
solange sie nicht in
der Öffentlichkeit weinte?
Königin Maria nickte nur, als hätte sie einen schweren Schlag
auf den Kopf erhalten. Dann winkte sie Will Somers heran, der gehorsam
mit Danny vortrat und ihre ausgestreckte Hand ergriff.
»Weißt du, Will, es ist ein spaßig Ding, würdig deiner
Scherze«, sagte sie leise, »doch mir scheint, dass der schlimmste
Schrecken meines Lebens, den ich nur zu gern abgewendet hätte, der war,
wie meine Mutter zu enden: verlassen von Ehemann und Kind und von einer
Dirne vom Thron verdrängt.« Sie sah ihn an und lächelte, obwohl ihre
Augen dunkel vor Tränen waren. »Und Will, ist es nicht lächerlich?
Genau so ist es mir geschehen. Weißt du nicht einen Witz darüber zu
machen?«
Will schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Daran kann ich
nichts Lustiges finden. Manche Dinge sind nicht witzig.«
Sie nickte.
»Außerdem haben Frauen keinerlei Sinn für Humor«, behauptete
er unerschütterlich.
Die Königin hörte ihn gar nicht. Sie war zu sehr mit dem
Schrecken beschäftigt, dass ihr Albtraum Wahrheit geworden war. Es
würde ihr genauso ergehen wie ihrer Mutter: vom König verlassen, um den
Rest ihres Lebens mit gebrochenem Herzen zu verbringen.
»Ich schätze, man kann verstehen, warum das so ist«, bemerkte
Will. »Mit dem fehlenden Humor der Frauen. Unter den gegebenen
Umständen.«
Die Königin ließ seine Hand los und wandte sich mir zu. »Es
tut mir leid, dass ich wegen deines Jungen unfreundlich zu dir war«,
sagte sie. »Er ist ein vortrefflicher Junge, da bin ich sicher. Wie
heißt er?«
Will Somers nahm Daniel an der Hand und stellte ihn vor die
Königin.
»Daniel Carpenter, Euer Hoheit.« Ich sah, dass sie sich nur
unter Aufbietung aller Willenskräfte aufrecht hielt.
»Daniel.« Sie lächelte den Kleinen an. »Du wirst ein guter
Junge sein, wenn du größer wirst, und ein treuer Ehemann.« Ihre Stimme
zitterte nur einen Augenblick. Sie legte ihre reich beringte Hand auf
seinen Kopf. »Gott segne dich«, sagte sie sanft.
Während ich am Abend darauf wartete, dass
Danny einschlief, nahm ich ein Blatt gepresstes Briefpapier und schrieb
an seinen Vater.
Lieber Ehemann,
ich weile hier am traurigsten Hofe
der Christenheit bei einer Königin, die niemals etwas Übles getan hat,
nur das, was sie für rechtens hielt. Doch nun ist sie von allen
verraten worden, selbst von jenen, die ihr vor Gott Liebe geschworen
haben. Ich denke nun sehr oft an Dich und Deine langen Jahre
unverbrüchlicher Treue und bete, dass wir eines Tages wieder
beieinander sein mögen. Dann sollst Du sehen, dass ich gelernt habe,
wahre Liebe und Treue zu schätzen und dass ich sie zu erwidern weiß.
Deine Frau,
Hannah Carpenter
Ich nahm den Brief, küsste Daniels Namen auf
dem Briefkopf und warf das Blatt ins Feuer.
Im August sollte der Hofstaat nach Schloss
Whitehall ziehen. Auf den üblichen Sommerumzug des königlichen Hofes
von Schloss zu Schloss hatte man der Schwangerschaft der Königin wegen
verzichtet, doch nun, da es auch kein Kind gab, war es fast so, als
hätte es überhaupt keinen Sommer für Maria gegeben. Auch das Wetter
trug das Seine dazu bei, den Höflingen einen Umzug aufs Land zu
verleiden, denn es war kalt und es regnete jeden Tag; wieder einmal war
mit einer Missernte und einer nachfolgenden Hungersnot zu rechnen.
Wieder einmal ein Jahr unter Marias Regentschaft, in dem Gott unserem
England nicht gut gesonnen war.
In diesem Jahr reisten deutlich weniger Menschen mit der
Königin, auch die Zahl der Schmarotzer und Speichellecker war stark
geschrumpft. »Wo sind denn alle?«, fragte ich Will und lenkte mein
Pferd neben seines. Wir ritten am Kopf des königlichen Zuges durch die
Stadt, genau hinter Königin Marias Sänfte.
»Hatfield«, brummte er verdrießlich.
Die Luftveränderung tat der Königin nicht gut, und am Abend
klagte sie über Fieber. Sie speiste nicht in der großen Halle von
Whitehall, sondern blieb in ihrem Gemach und ließ sich zwei oder drei
Speisen bringen, aß jedoch kaum etwas. Auf dem Weg zu ihren Gemächern
kam ich an der großen Halle vorbei und warf einen Blick hinein. Einen
Augenblick lang kam mir ein Bild aus meiner Erinnerung vor Augen, fast
so deutlich wie eine Vision: der leere Thron, die gierig zulangenden
Höflinge und Hofdamen und die Diener, welche vor dem leeren Thron
knieten und dem abwesenden Monarchen ein Mahl servierten, das dieser
nicht anrührte. Dieses Bild hatte ich vor fünf Jahren gesehen, als ich
an den Hof
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