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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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die so etwas
haben durchmachen müssen, geht in die Hunderte.«
    Robert Dudley kam mir zu Hilfe. »Sollen wir uns nun zu Tische
begeben?«, fragte er galant. »Und nach dem Nachtmahl gibt es Musik. Ich
fordere einen Tanz.«
    »Nur einen?«, erkundigte sich die Prinzessin, sogleich in
besserer Stimmung.
    »Nur einen«, erwiderte er.
    Sie zog einen niedlichen Schmollmund.
    »Der Tanz, welcher mit der Musik nach dem Mahl beginnt und
endet, wenn die Sonne aufgeht und alle Tänzer erschöpft sind«, sagte
er. »Um diesen Tanz bitte ich.«
    »Und was sollen wir tun, wenn wir so lange getanzt haben, dass
wir nicht mehr können?«, fragte sie herausfordernd.
    Ich schaute zwischen ihnen hin und her. Es war kaum zu
glauben, wie intim ihr Ton war. Jeder würde sie für ein Paar in den
ersten lustvollen Tagen der Verliebtheit gehalten haben.
    »Wir tun natürlich das, was Euch gefällt«, erwiderte er mit
einer Stimme wie Seide. »Doch ich wüsste, was ich wollte.«
    »Was?«, hauchte sie.
    »Ich möchte da liegen mit …«
    »Mit?«
    »Mit der Morgensonne auf meinem Gesicht«, ergänzte er.
    Elisabeth trat ein wenig näher heran und flüsterte einen Satz
auf Lateinisch. Ich bemühte mich um eine gleichgültige Miene. Ich hatte
den Satz ebenso verstanden wie Lord Robert: Sie hatte ihm zugeflüstert,
sie wolle Küsse am Morgen … natürlich von der Sonne.
    Nun wandte sie sich ihren Höflingen zu. »Wir werden jetzt
speisen«, verkündete sie laut. Allein, mit hoch erhobenem Kopf, schritt
sie auf die Tür der großen Halle zu. Bevor sie in dem dunklen Saal
verschwand, hielt sie inne und warf Lord Robert einen Blick über die
Schulter zu. Dieser Blick lockte, war eine Einladung, und nach einem
Moment der Benommenheit erkannte ich ihn wieder. Elisabeth hatte
ebendiesen Blick Prinz Philipp, dem Ehemann der Königin, zugeworfen.
Und selbst dieses Mal war nicht das erste Mal gewesen. Schon davor
hatte ich diesen Blick bei Elisabeth gesehen, damals, als sie ein
junges Mädchen und ich selbst noch ein Kind gewesen war: Da hatte er
Lord Thomas Seymour gegolten, dem Mann ihrer Stiefmutter. Es war der
gleiche Blick, es war eine Einladung, durch das gleiche Verlangen
geschürt. Elisabeth wählte ihre Liebhaber gern unter den Ehemännern
anderer Frauen, sie liebte es, Verlangen bei einem Manne zu wecken, dem
die Hände gebunden waren, sie liebte es, über eine Frau zu
triumphieren, die ihren Mann nicht halten konnte, und mehr als alles
andere liebte sie es, diese Blicke über die Schulter zu werfen und
einen Mann darauf anspringen zu sehen – wie es Lord Robert nun
tat.
    Elisabeths Hof war ein junger, heiterer,
optimistischer Hof, der Hof einer jungen Frau, die auf ihr Glück
wartete, auf den Thron, überzeugt nun, dass er ihr zufallen werde. Es
spielte kaum eine Rolle, dass die Königin sie nicht als Erbin benannt
hatte – all die Heuchler und Eigensüchtler vom Hofe der
Königin und vom Staatsrat hatten diesem aufsteigenden Stern bereits
ihre Treue gelobt. Die Hälfte von ihnen hatten ihre Söhne und Töchter
in Elisabeths Dienst gegeben. Der Besuch des Grafen Feria war nur noch
ein Quäntchen mehr in der Waagschale, die sich zugunsten der Herrin von
Hatfield gesenkt hatte. Jedem musste bewusst sein, dass die Macht der
Königin ebenso geschwunden war wie ihr Glück oder ihre Gesundheit.
Selbst der Gatte der Königin war zu ihrer Rivalin übergelaufen.
    Es war ein heiterer, sonniger Hof, und ich verbrachte
Nachmittag und Abend in dieser fröhlichen Gesellschaft, bis ich mich
ganz krank und elend fühlte. Ich schlief in einem kleinen Bett, meine
Arme eng um mein Kind geschlungen, und am nächsten Tag ritten wir
zurück zur Königin.
    Ich bemühte mich, die adeligen Frauen und Männer nicht zu
zählen, die uns auf der Straße nach Hatfield entgegenkamen. Es tat
nicht Not, dass ich dem ohnehin bitteren Geschmack in meinem Munde
weitere Nahrung gab. Vor langer Zeit war ich Zeuge gewesen, wie der Hof
einen kranken König im Stich ließ, um zu der Thronerbin überzuwechseln,
ich wusste daher, wie es um die Treue der Höflinge bestellt war. Doch
obgleich ich darum wusste, kam mir dieser Umschwung unehrenhafter vor
als alle bisherigen.
    Nur von einer Handvoll Höflingen begleitet,
ging die Königin am Flussufer spazieren. Ich merkte mir die Gesichter:
Mindestens die Hälfte von ihnen waren unerbittliche, eingeschworene
Katholiken, die ihren Glauben für keinen Herrscher aufgeben würden; ein
paar waren spanische Granden, denen der König

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