Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
versucht, England für Spanien zu sichern. Es ist seine
Pflicht, England unversehrt zu halten und ihm den wahren Glauben zu
sichern. Und sollte er Elisabeth nach Eurem Tode zur Frau nehmen, dann
würde England römisch-katholisch bleiben – und das ist es
doch, was Euch und ihm am meisten am Herzen liegt.«
    Die Königin schüttelte den Kopf, als versuche sie, meine
hastig hervorgesprudelten Worte zu verstehen, könne in ihnen jedoch
keinen Sinn erkennen. »Gütiger Gott, dies ist das Schlimmste, was mir
jemals passieren konnte«, flüsterte sie. »Ich habe gesehen, wie meine
Mutter von einer Jüngeren vom Thron gestoßen und gedemütigt wurde, wie
diese ihr den König wegnahm und sie auslachte. Und nun tut mir die
Tochter ebendieser Frau ein Gleiches an.«
    Sie brach ab und richtete den Blick auf mich. »Kein Wunder,
dass ich es nicht glauben konnte. Kein Wunder, dass ich glaubte, es
wäre ein unbegründeter Verdacht, aus meinem eifersüchtigen Wahn
geboren«, fuhr sie fort. »Genau davor habe ich mich mein ganzes Leben
lang gefürchtet, so zu enden wie meine Mutter: vernachlässigt und
verlassen, während die Boleyn-Dirne triumphierend auf dem Thron sitzt.
Wann wird diese Bosheit aufhören? Wann wird die Hexenkunst der Boleyns
endlich besiegt sein? Sie haben ihr den Kopf abgeschlagen, und hier ist
nun ihre Tochter, die sich erhebt wie eine Schlange, mit demselben Gift
auf der Zunge!«
    Ich zog sie leicht an der Hand. »Majestät, lasst Euch nicht
hinreißen! Nicht hier. Nicht vor all diesen Leuten.«
    Ich dachte daran, wie die Speichellecker an Elisabeths Hof
lachen würden, wenn sie erführen, dass die Königin zusammengebrochen
war, weil sie endlich gehört hatte, was ganz Europa bereits seit
Monaten wusste – dass ihr Mann sie verraten hatte.
    Sie nahm sich dermaßen zusammen, dass sie bebte. Doch dann
richtete sie sich entschlossen auf und blinzelte die Tränen fort. »Du
hast recht«, sagte sie. »Ich werde mich nicht demütigen. Ich werde
schweigen. Ich werde auch nicht mehr nachdenken. Geh ein Stück mit mir,
Hannah.«
    Ich warf einen Blick zurück zu Danny. Will saß auf der Erde
und ließ Danny auf seinen Knien reiten. Er zeigte ihm, wie man mit den
Ohren wackelte. Danny gluckste vor Vergnügen. Ich nahm den Arm der
Königin und passte meinen Schritt ihrem langsamen Tempo an. Gähnend
schlossen sich die Höflinge an.
    Die Königin blickte hinaus auf die rasch fließenden Wasser der
Themse. Nur wenige Schiffe fuhren an uns vorbei, denn der Handel in
England lag darnieder, da wir im Krieg mit Frankreich lagen und die
Missernten jedes Jahr gravierender wurden.
    »Weißt du, Hannah«, flüsterte die Königin mir zu, »ich habe
ihn vom ersten Augenblick an geliebt, von dem Moment an, als ich sein
Porträt sah. Erinnerst du dich?«
    »Ja«, erwiderte ich und dachte daran, wie ich damals gewarnt
hatte, dass man ihr das Herz brechen würde.
    »Ich habe ihn von Anfang an angebetet. Erinnerst du dich an
den Tag unserer Hochzeit, als er so gut aussah, als wir so glücklich
waren?«
    Ich nickte.
    »Ich betete ihn an, weil er mich bettete und bei mir lag. Er
hat mir die einzige Freude geschenkt, die ich im Leben gekannt habe.
Niemand kann wissen, was er mir war, Hannah. Niemand kann jemals
ermessen, wie sehr ich ihn geliebt habe. Und nun berichtest du, dass er
meine schlimmste Feindin heiraten will, wenn ich tot bin. Vermutlich
sehnt er sich bereits nach meinem Tod, damit er frei ist für die
andere.«
    Die Königin verharrte eine Weile reglos, während die Höflinge
sich im Hintergrund hielten, zwischen uns hin und her schauten und sich
fragten, welche schlechten Neuigkeiten ich wohl gebracht hatte. Dann
sah ich, wie sie sich plötzlich versteifte, sie hob die Hand an ihre
Augen, als quäle sie ein jäher Schmerz. »Falls er nicht ohnehin auf
meinen Tod wartet«, ergänzte sie leise.
    Ein rascher Blick auf mein weißes Gesicht verriet ihr die
Wahrheit. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, niemals«, flüsterte sie. »Das
nicht. Er würde sich doch niemals von mir scheiden lassen? Wie es mein
Vater meiner Mutter angetan hat? Ohne einen anderen Grund als das
Verlangen nach einer anderen Frau? Und dazu nach einer Frau, die eine
Dirne ist und Tochter einer Dirne?«
    Ich schwieg.
    Sie weinte nicht. Sie war Königin Maria, einstmals Prinzessin
Maria, die schon als kleines Mädchen gelernt hatte, ihren Kopf hoch zu
tragen und die Tränen zurückzuhalten. Und wenn ihre Lippen blutig
gebissen waren – was machte das schon,

Weitere Kostenlose Bücher