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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Tabellen, mechanische
Diagramme, ja sogar Codes schneller lesen und verstehen kann als dieser
John Dee. Oh! Und fast hätte ich es vergessen: Er hat ein paar Bücher
bestellt, die Lord Robert in den Tower gebracht werden sollen.«
    »Ja?« Plötzlich war mein Interesse geweckt. »Soll ich sie zu
Lord Robert bringen?«
    »Sobald ich sie bekomme«, sagte mein Vater sanft. »Und Hannah,
wenn du Lord Robert siehst …«
    »Ja?«
    »Dann, querida , musst
du ihn bitten, dich aus seinem Dienst zu entlassen und dir Lebewohl zu
sagen. Er ist ein zum Tode verurteilter Verräter. Es ist an der Zeit,
dass ihr einander Lebewohl sagt.«
    Ich hätte widersprochen, doch mein Vater hob mahnend die Hand.
»Ich befehle es dir, Tochter«, sagte er streng. »Wir leben in diesem
Land wie Kröten unter der Pflugschar. Wir dürfen kein noch größeres
Wagnis eingehen. Du musst dich von ihm lossagen. Er ist ein bekannter
Verräter. Wir dürfen nicht mit ihm in Verbindung gebracht werden.«
    Ich beugte den Kopf.
    »Auch Daniel wünscht es.«
    Mein Kopf fuhr hoch. »Wieso, woher weiß er denn davon?«
    Mein Vater lächelte. »Er ist doch kein dummer Junge, Hannah.«
    »Er verkehrt nicht bei Hofe. Er hat keine Ahnung, wie es in
der Welt zugeht!«
    »Er wird ein berühmter Arzt werden«, machte mein Vater
geltend. »An vielen Abenden kommt er zu mir und studiert Bücher über
Kräuter und Arzneien. Er liest griechische Texte über die Heilkunst. Du
musst nicht glauben, dass er ein Dummkopf ist, bloß weil er Spanier
ist.«
    »Aber von den Fähigkeiten der Maurenärzte weiß er nichts«,
entgegnete ich. »Und Ihr selbst habt mir doch gesagt, dass diese die
klügsten Ärzte der Welt seien. Dass sie alles von den Griechen gelernt
hätten, danach jedoch ihre Lehrmeister überflügelten.«
    »Ja«, gab mein Vater zu. »Aber Daniel ist ein nachdenklicher
junger Mann und ein gewissenhafter Arbeiter, und er hat die Gabe zu
studieren. Zwei Mal die Woche kommt er zu mir und liest. Und jedes Mal
fragt er nach dir.«
    »Ach ja?«
    Mein Vater nickte. »Er nennt dich seine Prinzessin«, sagte er.
    Einen Moment lang fehlten mir die Worte. »Seine Prinzessin?«
    »Ja«, wiederholte mein Vater und lächelte über meine
verständnislose Miene. »Er redet wie ein junger verliebter Mann. Er
kommt mich besuchen und fragt: ›Wo ist meine Prinzessin?‹ –
und er meint dich, Hannah.«
    Die Krönung meiner Gebieterin Lady Maria
wurde auf den ersten Tag im Oktober festgesetzt, und der gesamte
Hofstaat, die Hauptstadt, ja das ganze Land hatten den größten Teil des
Sommers Vorbereitungen getroffen für die Zeremonie, die Heinrichs
Tochter endlich auf den Thron bringen sollte. Einige Gesichter fehlten
jedoch in der Menschenmenge, welche die Straßen Londons säumte:
Strenggläubige Protestanten, die dem ehrlichen Versprechen der Königin,
andere Bekenntnisse zu tolerieren, misstrauten, waren ins Exil
gegangen. In Frankreich wurden sie mit offenen Armen empfangen, und
Englands alter Feind rüstete wieder einmal zum Krieg gegen das
Königreich. Auch im Kronrat fehlten einige Gesichter – der
Vater der Königin hätte sich gefragt, wo denn seine Günstlinge waren.
Manche von ihnen schämten sich ihres Benehmens der Königin gegenüber,
manche waren Protestanten und wollten ihr nicht dienen, und wieder
andere waren so gnädig und blieben auf dem Lande in den konfiszierten
Klöstern. Doch die Übrigen in Hofstaat, Stadt und Land zogen zu
Tausenden auf die Straße, um ihrer neuen Königin zuzujubeln, deren
Anrecht auf den Thron sie so erfolgreich gegen protestantische
Thronprätendenten verteidigt hatten – ihrer neuen katholischen
Königin, deren glühendes Bekenntnis zum Glauben sie zwar kannten, aber
dennoch allen anderen vorzogen.
    Es war eine Krönung wie im Märchen – die erste, die
ich in meinem Leben sah –, ein Schauspiel wie aus einem der
Märchenbücher meines Vaters. Eine Prinzessin in ihrer goldenen Kutsche,
gekleidet in blauen Samt mit weißem Hermelinbesatz, ein prächtiger
Triumphzug durch die Straßen der Hauptstadt, die mit Wandteppichen
geschmückt waren, vorbei an Brunnen mit weißem Wein, dessen warmer Duft
die Luft schwer machte, durch eine Menschenmenge, die beim Anblick
ihrer Prinzessin, ihrer jungfräulichen Königin in Begeisterungsrufe
ausbrach … Kindergruppen, die Lobeshymnen auf die Frau sangen,
die so sehr darum gekämpft hatte, Königin zu sein, und die nun die alte
Religion wieder einführen würde.
    In der zweiten Kutsche saß

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