Die Hofnärrin
Innentür und machte sie für mich auf.
Und dann endlich sah ich meinen Lord Robert. Er saß an einem
Tisch und brütete über Papieren. Neben ihm stand eine Kerze, deren
goldenes Licht seinen dunklen Kopf und seine bleiche Haut erleuchtete.
Langsam erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht.
»Holder Knabe! Oh! Mein holder Knabe!«
Ich beugte das Knie. »Mylord!«, brachte ich noch heraus. Dann
brach ich in Tränen aus.
Lord Robert lachte. Er zog mich hoch, legte mir den Arm um die
Schultern und wischte mir die Tränen ab, alles in einer einzigen,
verwirrend zärtlichen Geste. »Komm, mein Kind, komm, beruhige dich. Was
hast du denn?«
»Es ist wegen Euch!«, schluchzte ich. »Dass ich Euch hier
wiedersehe. So …« Ich brachte es nicht über mich, ›blass‹,
›krank‹ oder ›besiegt‹ zu sagen, obwohl alle diese Bezeichnungen
zutrafen. »… eingesperrt«, vermochte ich endlich zu sagen.
»Und Eure schönen Kleider! Und … und was wird nun geschehen?«
Er lachte, als sei dies alles ohne Belang, und führte mich zum
Kamin, ließ sich auf einem Stuhl nieder und zog für mich einen Hocker
heran, sodass ich ihm gegenübersaß wie ein Lieblingsneffe. Schüchtern
streckte ich meine Hände aus und legte sie auf seine Knie. Ich wollte
ihn berühren, um mich zu vergewissern, dass er aus Fleisch und Blut
war. So oft hatte ich von ihm geträumt, und nun saß er vor mir,
unverändert – wenn man von den Linien absah, die Niederlage
und Enttäuschung in sein Gesicht gegraben hatten.
»Lord Robert …«, flüsterte ich.
Er begegnete meinem Blick. »Ja, kleine Maid«, sagte er leise.
»Es war ein großes Spiel, und wir haben verloren, und der Preis wird
hoch sein. Aber du bist ja kein Kind mehr, du weißt, dass das Leben
nicht leicht ist. Ich werde den Preis bezahlen, wenn es sein muss.«
»Werden sie …?« Ich konnte es nicht ertragen, ihn zu
fragen, ob es sein eigener Tod sei, den er mit diesem standhaften
Lächeln erwartete.
»Ach, das nehme ich doch an«, erwiderte er heiter. »Bald
schon. Ich würde es tun, wenn ich die Königin wäre. Und nun erzähle,
was es Neues gibt. Wir haben nicht viel Zeit.«
Ich zog meinen Schemel ein wenig näher heran und versuchte,
meine Gedanken zu ordnen. Ich wollte ihm keine Neuigkeiten erzählen, da
für ihn nichts Gutes dabei sein konnte – ich wollte nur in
sein verhärmtes Gesicht schauen und seine Hand berühren. Ich wollte ihm
sagen, dass ich mich nach ihm gesehnt hatte. Ich wollte sagen, dass ich
ihm unzählige Briefe in dem Code geschrieben hatte, den er gewiss
längst nicht mehr besaß, und dass ich alle diese Briefe ins Feuer
geworfen hatte.
»Nun komm«, drängte er. »Erzähl mir schon, was es Neues
gibt – alles.«
»Die Königin erwägt eine Heirat, wie Ihr vermutlich schon
wisst«, sagte ich mit gedämpfter Stimme. »Und sie ist krank gewesen.
Sie haben ihr einen Kandidaten nach dem anderen vorgestellt. Die
größten Aussichten hat Philipp von Spanien. Der spanische Gesandte
redet ihr zu, aber sie hat Angst. Sie weiß, dass sie nicht allein
herrschen kann, fürchtet aber, dass ein Mann über sie herrschen könnte.«
»Doch sie folgt seiner Werbung?«
»Sie könnte sie auch abschlagen. Ich weiß es nicht. Sie ist
halb krank vor Angst bei dem bloßen Gedanken an eine Ehe. Sie hat Angst
vor einem Mann in ihrem Bett und Angst, dass er auf dem Thron fehlen
könnte.«
»Und Lady Elisabeth?«
Ich warf einen Blick auf die schwere Holztür und dämpfte meine
Stimme noch mehr. »Sie und die Königin verstehen sich seit Kurzem nicht
so gut«, erwiderte ich. »Vorher war die Zuneigung groß, Lady Maria
wollte Elisabeth immer schon an ihrer Seite haben, doch nun können sie
nicht mehr miteinander auskommen. Lady Elisabeth ist nicht mehr das
kleine Mädchen, das den Ratschlägen seiner älteren Schwester folgt, und
in Debatten schlägt sie die Königin allemal. Sie denkt so schnell wie
ein Alchemist. Die Königin hasst Diskussionen über geistliche Dinge,
Lady Elisabeth kennt jedoch Argumente gegen alles und jedes und nimmt
nichts für gegeben. Sie sieht alles mit kühlen Augen an …« Ich
brach ab.
»Kühle Augen?«, forschte er nach. »Sie hat wunderschöne Augen.«
»Ich meine, sie betrachtet alles mit kühlem Blick«,
korrigierte ich. »Sie hat keinen Glauben, niemals schließt sie vor
Ehrfurcht die Augen. Sie ist nicht wie meine Dame, niemals sieht man
sie erbeben, wenn der Priester die Hostie beim Sakrament der Wandlung
in die Höhe hält. Lady
Weitere Kostenlose Bücher