Die Hofnärrin
die protestantische Prinzessin,
doch die Hochrufe für sie waren nichts im Vergleich zu dem Jubel, den
die schmächtige Person der Königin an jeder Straßenecke auslöste. In
der Kutsche der Prinzessin Elisabeth saß auch Heinrichs verstoßene
vierte Ehefrau, Anna von Kleve, matronenhafter denn je und mit einem
aufgesetzten Lächeln für die Massen. Zwischen ihr und Elisabeth wurden,
wie ich fand, wissende Blicke getauscht, da beide sehr erfahren waren
in der Kunst, widrige Umstände zu überleben. Und hinter der Kutsche
marschierten sechsundvierzig Damen aus Hofstaat und Landadel, alle in
ihren besten Gewändern und schon ein wenig erschöpft, nachdem man den
langen Weg von Whitehall bis zum Tower bewältigt hatte.
Weiter hinten folgten die Pöstcheninhaber des Hofes, der
niedere Adel und die Beamten, darunter auch ich. Seit ich nach England
gekommen war, hatte ich mich als Fremdling empfunden, als Flüchtling
vor einem Terror, den ich nicht einmal mir selbst eingestehen wollte.
Doch wie ich im Gefolge der Königin an der Seite des Spaßmachers Will
Somers marschierte, mit meiner gelben Kappe auf dem Kopf und der
Narrenschelle in meiner Hand, hatte ich das Gefühl, endlich angekommen
zu sein. Ich war Hofnärrin der Königin, mein Schicksal hatte mich zu
ihr geführt, und ich hatte sie durch Fährnisse und Verrat bis zu ihrem
Triumph begleitet. Sie hatte sich den Thron verdient, so wie ich den
Platz an ihrer Seite.
Es machte mir nichts aus, dass ich zum Hofnarren ernannt
worden war. Ich war eine heilige Närrin, bekannt für meine Gabe der
Prophezeiung, bekannt für die Voraussage der Krönung Königin Marias.
Manche Menschen schlugen sogar das Kreuz, als ich an ihnen
vorüberschritt, bestätigten damit die Macht, die mir verliehen war.
Also schritt ich hoch erhobenen Hauptes und fürchtete nicht die Blicke
auf meiner olivfarbenen Haut oder meinem dunklen Haar, die mich als
Spanierin oder Schlimmeres entlarven könnten. An jenem Tag fühlte ich
mich als Engländerin, und als loyale Engländerin dazu, denn die Liebe
zu meiner Königin und meiner Wahlheimat lag offen zutage – und
ich war froh, eine Engländerin zu sein.
In dieser Nacht schliefen wir im Tower, und am nächsten Tag
wurde Lady Maria zur Königin von England gekrönt. Ihre Schwester
Elisabeth trug ihre Schleppe und war die Erste, die vor ihr
niederkniete und ihr die Treue schwor. Ich konnte die beiden nur
undeutlich sehen, denn ich war im Hintergrund der Westminster-Abtei in
der Menge eingezwängt und musste an einem Gentleman des Hofstaats
vorbeispähen. Im Übrigen war ich blind vor Tränen, weil meine
Gebieterin Lady Maria endlich zu ihrem Thron gekommen war und ihre
Schwester an ihrer Seite wusste. Ihr lebenslanger Kampf um Anerkennung
und Gerechtigkeit war endlich vorüber. Gott – oder wie auch
immer Sein Name lauten mochte – hatte ihr endlich seinen Segen
widerfahren lassen. Sie hatte gewonnen.
Wenn die beiden Schwestern bei Elisabeths
Kniefall vor Königin Maria auch vereint erschienen waren, so trug Lady
Elisabeth doch weiterhin das evangelische Gebetbuch ihres verstorbenen
Bruders an einer kleinen Kette mit sich herum, kleidete sich in
schlichtes protestantisches Schwarz und ging nur selten zur Messe.
Deutlicher hätte sie der Welt nicht zeigen können, dass sie das
protestantische Gegenstück zu der Königin war, der sie eben erst
lebenslange Gefolgschaft geschworen hatte. Wie immer gab es an
Elisabeths Benehmen nichts, das die Königin offen hätte kritisieren
können, es war vielmehr ein gewisses, ihr eigentümliches Auftreten: Sie
musste sich stets etwas von den anderen abheben und vermittelte den
Eindruck, als könne sie, sehr zu ihrem Bedauern, mit gewissen Dingen
nicht einverstanden sein.
Nachdem Elisabeth sich einige Tage so verhalten hatte,
schickte die Königin ihr eine scharfe Mahnung, sie solle wie der übrige
Hof anderntags zur Messe erscheinen. Elisabeths Antwort traf in dem
Moment ein, als wir uns anschickten, das königliche Empfangszimmer zu
verlassen. Als die Königin ihre Hand nach ihrem Messbuch ausstreckte,
wandte sie den Kopf und erblickte an der Tür eine von Elisabeths
Ehrendamen mit der Antwort von Lady Elisabeth.
»Sie bittet, vom Besuch der Messe befreit zu werden, da sie
sich heute nicht gut fühlt.«
»Nun, was hat sie denn?«, fragte die Königin ein wenig scharf.
»Gestern ging es ihr doch sehr gut.«
»Sie hat Magenschmerzen, wirklich arge Schmerzen«, erwiderte
die Dame. »Ihre Hofdame Mrs. Ashley
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