Die Hofnärrin
Nachfolgerin sein und
es unter dem Gesetz Gottes weiterregieren.«
»Darauf sage ich Amen. Amen«, flüsterte Elisabeth, und ihre
Stimme war von ehrlicher Freude erfüllt. Mir jedoch fiel ein, wie oft
ich in der Kirche gestanden und »Amen« gesagt hatte – wenn es
auch noch so schön geklungen hatte, bedeuten musste es nichts.
Lady Maria hatte es nicht leicht in jenen
Tagen. Sie bereitete sich auf ihre Krönung vor, doch im Tower, in dem
Englands Könige traditionell die Nacht vor der Krönung verbrachten,
saßen die Verräter, die nur wenige Monate zuvor gegen sie gekämpft
hatten.
Ihre Ratgeber, insbesondere der spanische Gesandte, rieten
ihr, unverzüglich jeden Beteiligten an dem Aufstand hinrichten zu
lassen. Ließe sie die Rebellen am Leben, würden sie zur Stimme der
Unzufriedenen, wenn sie hingegen tot wären, würde das Volk sie rasch
vergessen.
»Ich werde mir nicht die Hände mit dem Blut dieses törichten
Mädchens besudeln«, sagte Lady Maria entschieden.
Lady Jane hatte ihrer Cousine geschrieben und gestanden, dass
es falsch gewesen sei, die Krone zu nehmen, doch sie sei dazu gezwungen
worden.
»Ich kenne Cousine Jane gut«, sagte Lady Maria eines Abends
leise zu Jane Dormer, während die Musikanten träge an den Saiten
zupften und der gesamte Hofstaat gähnte und sich nach dem Bett sehnte.
»Ich habe sie gekannt, seit sie ein kleines Mädchen war, ich kenne sie
fast so gut wie Elisabeth. Sie ist eine eingeschworene Protestantin und
hat ihr Leben mit dem Studium geistlicher Werke verbracht. Sie ist mehr
Gelehrte denn junges Mädchen, ungelenk wie ein Füllen und in ihren
Überzeugungen so streng wie ein Franziskaner. In Glaubensdingen können
wir niemals einer Meinung sein. Doch Jane ist nicht ehrgeizig; sie
wusste, dass die Krone mir gebührte, und sie hätte mir niemals die
Gefolgschaft versagt. Die Schuld liegt beim Herzog von Northumberland
und bei ihrem Vater.«
»Ihr könnt nicht jeden begnadigen«, sagte Jane Dormer
unverblümt. »Und immerhin ist sie zur Königin ernannt worden und hat
unter dem Baldachin gesessen. Ihr könnt nicht so tun, als sei dies
nicht geschehen.«
Lady Maria nickte. »Der Herzog musste sterben«, stimmte sie
zu. »Aber damit ist die Schuld getilgt. Ich werde Janes Vater, den
Herzog von Suffolk, freilassen, und Jane und ihr Mann Guilford werden
bis nach der Krönung im Tower verbleiben.«
»Und Robert Dudley?«, warf ich leise ein.
Lady Maria schaute sich um und entdeckte mich auf den Stufen
ihres Thrones kauernd, in Gesellschaft ihres Greyhounds. »Oh, bist du
auch da, mein kleiner Hofnarr?«, fragte sie sanft. »Ja, dein früherer
Gebieter wird des Verrats angeklagt und gefangen gehalten, jedoch nicht
hingerichtet werden. Wir warten, bis die Dinge sich so weit beruhigt
haben, dass wir ihn wieder freilassen können. Bist du nun zufrieden?«
»Was immer Euer Gnaden befehlen«, sagte ich gehorsam, doch
mein Herz machte vor Freude einen Luftsprung.
»Doch die Menschen, die um Eure Sicherheit besorgt sind, wird
es nicht zufriedenstellen«, hielt Jane Dormer dagegen. »Wie wollt Ihr
in Frieden leben, wenn jene, die Euch vernichten wollten, immer noch
auf dieser Erde wandeln? Meint Ihr, sie hätten Euch begnadigt und
freigelassen?«
Lady Maria lächelte und legte ihre Hand auf die Hand ihrer
Vertrauten. »Jane, dieser Thron ist mir von Gott gegeben worden.
Niemand hätte geglaubt, dass ich Kenninghall lebend verlasse, und
niemand hätte gedacht, dass ich nach London reite, ohne dass ein
einziger Schuss fällt. Dennoch bin ich unter dem Segen des Volkes in
die Hauptstadt eingezogen. Gott hat mich als Königin gesandt. Und nun
werde ich Seine Gnade beweisen, wann immer ich kann. Selbst jenen, die
sie nicht kennen.«
Ich schickte meinem Vater Nachricht, dass
ich ihn zu Michaelis besuchen würde, nahm meinen Lohn in Empfang und
wanderte zu meinem alten Heim. Furchtlos schritt ich in meinen neuen
maßgeschneiderten Stiefeln aus, während mein kleines Schwert im Takt
hin und her schwang. Ich trug die Livree einer beliebten Königin,
niemand würde mich belästigen, und falls sie es doch wagten, so wusste
ich mich dank Will Somers' Fechtübungen durchaus zu verteidigen.
Die Tür des Buchladens war geschlossen, doch durch die Ritzen
der Fensterläden drang Licht. Die Straße lag still und verlassen da.
Ich klopfte, und mein Vater öffnete die Tür, behutsam und argwöhnisch.
Es war Freitagabend, und die Sabbatkerze stand unter einem Krug hinter
der Ladentheke,
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