Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
war.
»Ich würde mich gerne setzen«, sagte er, und sie gingen zur nächsten Bank.
»Was ist danach aus Ihnen geworden?«
»Das war seltsam. Von einem Tag auf den anderen hat mein Vater sich zusammengerissen. Ein Augenblick der Erleuchtung, ein kleiner Schlag auf den Hinterkopf und so weiter. Hatte wohl plötzlich verstanden, was er aus dem Fenster geworfen hatte, als es zu spät war. Bei meiner Mom konnte er das alles nicht wiedergutmachen, also wollte er es bei mir versuchen; oder durch mich. Ich bin mit ihm mitgereist. Eine Zeit lang Reno, dann ein paar kleinere Casino-Städtchen, dann wieder weiter. Er wurde für alle möglichen Hotels gebucht. Ich musste jedes halbe Jahr die Schule wechseln. Wahrscheinlich hab ich deshalb immer so engen Kontakt zu Karl gehalten – er war mein einziger echter Freund, und vor allem der Einzige, vom dem ich immer wusste, dass ich ihn wiedersehen würde, weil wir immer mal wieder zurück nach Vegas kamen.
Mein Dad hat meistens abends gearbeitet, und ich hab oft hinter der Bühne ausgeholfen. Ich glaube, mein innerer Neunjähriger war immer noch stinksauer auf ihn, und ich beschloss, dass ich kein Zauberer werden wollte, aber ich hab trotzdem das ganze Handwerkszeug gelernt.«
»Wollte Ihr Vater, dass Sie nach ihm die weißen Handschuhe überstreifen?«
»Und wie! Den hätte nichts glücklicher gemacht, als wenn ich auf der Bühne den Zauberstab geschwungen hätte. Er wollte genau das Gegenteil von Karls Dad, und am Ende haben Karl und ich das Gleiche getan und beide unsere Väter unglücklich gemacht. Mein Dad meinte, ich hätte viel mehr Talent als er. Bessere Hände, bessere Technik, besseres Gespür für die Psychologie des Publikums. Aber ich hatte schon lange vorher beschlossen, dass ich ihm nicht folgen würde. Sobald ich mit der Highschool fertig war, war ich weg.«
»Hat er Ihnen Ärger gemacht?«
»Nee, er wusste, dass er das früher schon genug gemacht hatte. Er verheimlichte mir seine Wünsche nicht, aber er hat mich mit seinem Segen ziehen lassen. Mit seinem Geld auch, soviel er entbehren konnte. Er hat sich wirklich alle Mühe gegeben, als Mom nicht mehr da war. Ich glaube, er hätte alles gegeben, um sie zurückzubekommen.«
Zal schaute wieder weg, konnte aber nicht von seinem Schmerz ablenken.
»Er ist auch tot, oder?«, fragte Angelique.
Zal nickte und schaute auf die Seine, wo die Rundfahrtsschiffe auf dem Rückweg zur Île de la Cité gegen die starke Strömung ankämpften.
»Vor fast drei Jahren gestorben, während ich im Knast war. Ich hab mich nicht verabschieden können oder ihm verzeihen können, was viel wichtiger gewesen wäre.«
Sie nahm seine Hand. Er erwiderte den Druck, reagierte aber sonst nicht.
»Deshalb sind Sie nach Glasgow gekommen, oder? Damit Sie sich in seiner alten Heimat verabschieden und ihm vergeben können.«
Zal sah sie wieder an. »Wie haben Sie das herausgefunden?« Er wirkte weder überrascht noch vorwurfsvoll, sondern nur neugierig.
»Alakazammy, stairhead rammy. Das haben Sie in der Bank gesagt. Das war sein Abrakadabra, oder?«
»Nein. Er hat den Spruch zwar angewandt, aber nicht geprägt. Er kam von seinem Mentor, einer Größe der Glasgower Varietétheater.«
»Wer war das?«
»Tja, das ist eine ganz neue Geschichte. Vielleicht ein andermal. Ja, aber während ich saß, hab ich beschlossen, seine Heimat zu besuchen. Klar als Abschied, aber auch um die Gegend mal richtig kennenzulernen. Diese Geschichten über eine ferne Stadt, die ich noch nie gesehen habe, haben meine Kindheit geprägt. Das istaber nicht der einzige Grund für meinen Besuch. Naja, ich wäre irgendwann trotzdem gekommen, aber …«
»Was?«
Er stand auf.
»Ich frier mir hier draußen langsam den Arsch ab. Wie ist es mit Ihnen?«
»Ich bin nicht aus Nevada.«
»Ich bin nur ein halber Glasgower. Ich muss mal nach drinnen. Darf ich Sie zum Abendessen einladen?«
»Ooh nein, tun Sie mir doch so was nicht an! Okay, okay, aber nur, wenn ich vorher noch mal ins Hotel kann. Meine Sonntagsklamotten anziehen.«
»Und Ihr Mikro.«
»Das auch.«
Angelique genoss das heiße Wasser, das über sie strömte, und ihre Umgebung noch viel mehr. Sie sah sich den quadratischen Duschkopf an und fragte sich, ob man in einer kubistischen Dusche sauberer wurde als in einer normalen. Egal, es fühlte sich gut an; ihr ging es gut. Sie dachte wieder an den Morgen des Überfalls, als ihr die Dusche wie ein Zufluchtsort vorgekommen war, den sie nie wieder hatte
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