Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
mitbekommen sollten.«
»Oh Gott.«
»So ist das im Knast: Jeder weiß alles, keiner sagt was. Dass ich Marsh und Creedie umgebracht hab, war unausgesprochenes Allgemeinwissen. Danach hatten nicht mehr viele Lust, sich mit mir anzulegen.«
»Was war mit Marshs Freunden?«
»Ja, da hab ich mir eine Weile Sorgen gemacht, aber Parnell hat es mir erklärt: Typen wie Marsh haben keine Freunde, sondern nur opportunistische Kriecher, die Fliegen auf der Scheiße. Wenn du ihnen den Scheißhaufen wegnimmst, suchen sie sich einfach einen neuen. Und genau das passierte auch.«
»Hatte Parnell schon lange gesessen?«
»Oh ja. Er war gerade zum vierten Mal im Knast.«
»Wofür?«
Zal grinste. »Rate mal.«
Jetzt wurde es ihr klar. »Er hat dir also nicht nur Lektionen übers Knastleben erteilt.«
»Nein. Ein Verbrechen kann jeder begehen, aber wenn man ein richtiger Verbrecher werden will, geht man am besten in den Knast. Da hat man monate- und jahrelang nichts Besseres zu tun, als sich darüber auszutauschen, was man getan hat, wie man’s getan hat, was man hätte anders machen sollen und was man macht, wenn man wieder draußen ist … Ich glaube, an keiner Uni der Welt widmen sich die Studenten ihrem Fach mit solcher Hingabe.«
»Und du hattest sogar Einzelunterricht.«
»Oh, Parnell kannte sich mit allem aus. Mit Sicherheitssystemen, Mitarbeiterverhaltensregeln, mit den Abläufen und Richtlinien der einzelnen Banken, mit den Anrückzeiten und Taktiken der Polizei, mit allem. Er wusste ein Dutzend Möglichkeiten, eine Geiselnahme zu vermeiden, weil er bei denen meistens geschnappt worden war. Wenn sie sich aber nicht vermeiden ließ, wusste er genau, wie man dafür sorgt, dass keiner den Kopf verliert.«
»Kannte er sich etwa auch mit surrealistischer Malerei und absurdem Theater aus?«
»Andere Anwendung, aber dasselbe Prinzip. Klar hatte Parnell ein paar Partytricks auf Lager, aber hauptsächlich ging’s ihm darum, dass man die Geiseln so höflich und mit so viel Achtung wie möglich behandelt.
Die wichtigste Lektion war aber die, dass man einen Raub immer rückwärts plant. Jeder Idiot mit ’ner Pistole kann in eine Bank marschieren und sich das Geld geben lassen. Ohne Handschellen und Schusswunden wieder rauskommen ist da schon schwieriger. Das ist das Erste, womit man sich bei der Planung beschäftigen muss. Wenn man nicht weiß, wie man wieder rauskommt, darf man nicht mal dran denken, reinzugehen. Bei der RSGN hab ich mir U-Bahn-Pläne angeschaut, Karten, die all das zeigen, wovon kaum einer weiß: alte Tunnel, die seit der Renovierung nicht mehr genutzt werden, Nebengleise, Zugangstunnel. Wir mussten vor allem ungesehen wieder herauskommen. Bevor ich die Pläne gesehen hab, wollte ich eigentlich eine Bank in Saint Rollox überfallen: Die steht neben einem Wohnblock in einer ehemaligen Whisky-Lagerhalle. Der Keller reicht weiter als die Außenwände des Gebäudes ins alte Fundament und stößt direkt an den Tresorraum. Hoffentlich schreibst du mit.«
»Woher hast du das alles?«
»Aus der Mitchell Library. Wenn du mich fragst, ist das eine riesige, ungenutzte Informationsquelle für Verbrecher.«
»Was ist mit dem Sprengstoff? Hat Parnell dir da auch Nachhilfe gegeben?«
»Nein, das ist Jeromes Spezialgebiet. Er hat zwar nicht mal ein Jahr gesessen, aber sein Zellengenosse hatte eine Abrissfirma. Er war wegen Betrugs drinnen, aber es hörte sich natürlich viel cooler an, wenn er die ganze Zeit über Sprengstoff sprach. Parnell hätte nicht mal ’nen Böller in die Hand genommen. Der mochte auch Pistolen nicht besonders, aber die waren leider manchmal nicht zu vermeiden.« Zal lächelte liebevoll. »Er wäre Samstag richtig stolz auf uns gewesen.«
»Ist er noch drinnen?«
Zal nickte mit ernstem Gesicht.
»Was denn?«, fragte Angelique.
Zal setzte sich auf und zog unter der Decke die Knie an.
»Wegen Parnell bin ich hier. Also, nicht hier in Paris …«
»In Glasgow. Warum?«
»Wegen Alessandro. Das dumme Arschloch. Die gleiche Scheiße noch mal. Er will wieder, dass ich etwas für ihn klaue, bloß ist es diesmal keine Frage, ob er wirklich will, dass ich es schaffe. Er will … es wirklich haben und meint, ich kann es besorgen.«
»Aber im Gigliotti …«
»… hab ich Mist gebaut, ja, aber Alessandro ist nicht dumm. Naja, eigentlich doch, aber selbst er hat wohl kapiert, dass ich absichtlich Mist gebaut hab – und deshalb hat er auch meinen Vater umgebracht. Damals wusste er nicht,
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