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Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)

Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)

Titel: Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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wollte, sich zu verpissen. Er stand einfach nur da und faselte pausenlos vor sich hin. Andy hatte ihn den Nicht-allzu-Manic-Street-Preacher getauft. Der Kerl hielt echt stundenlang durch, und obwohl er mitten in der Fußgängerzone stand, würde die Polizei ihn bestimmt nicht verjagen. Es gab wohl ein ungeschriebenes Gesetz, das jegliches asoziale Verhalten entschuldigte, sofern der Täter in Jesus lebte. In der Realität lebte der NAMSP zumindest nicht. Er machte einfach den Mund auf und ließ es fließen. Es interessierte ihn anscheinend auch gar nicht, ob jemand zuhörte, erquasselte einfach und starrte ins Leere. Er stand mit dem Gesicht Richtung Bank, schaute aber sicher in eine andere Dimension. Andy blendete ihn aus, so gut es ging, aber selbst beim Singen und Spielen schnappte er einzelne Sprachfetzen auf und fragte sich, ob das, was er verpasst hatte, den Rest irgendwie in einen Kontext mit dem Planeten Erde setzen konnte.
    Unterhosen als Metapher für Jesu Liebe, Scheiße noch mal. »Jesus und deine Unterhose: Beide nimmst du als alltäglich hin, doch was würdest du ohne sie tun? Sie helfen dir im Verborgenen und fallen dir erst auf, wenn sie fehlen, solltest du darüber nicht öfter einmal nachdenken? Über die Behaglichkeit und Sicherheit, die Unterstützung und Wärme, die dir so selbstverständlich vorkommen, weil sie dir immer klaglos und bedingungslos zur Seite stehen? Solltest du nicht hin und wieder danke sagen?«
    Andy hatte sich kurz überlegt, ob das Ganze nur eine Riesenverarsche war, aber dann war ihm eingefallen, dass diese Typen jede einzelne Sekunde ihres Lebens in absolut hundertprozentig zertifiziert ironiefreier Ernsthaftigkeit verbrachten. Außerdem hörte es sich in diesem frommen, übertrieben herzlichen und affektiert demütigen Ton genauso an wie jeder andere nichtssagende Sermon. Die Parabel der Heiligen Unterhose war auch nicht weniger ergreifend als der Dünnschiss, der jeden Morgen bei Radio Scotlands »Thought of the Day« gesendet wurde. Gestern hatte dort Reverend Misery O’Dreich das alljährliche Gejammer über die Kommerzialisierung und den »wahren Geist« von Weihnachten abgeliefert. Andy war kurz davor gewesen, da anzurufen und dem Pfarrer zu erklären, dass hierzulande winterliche Zeitvertreibe wie Geschenkeaustausch, Fressorgien und Massenbesäufnisse inklusive anschließendem Sex mit denkbar unpassenden Partnern eine weit längere Tradition hatten als das Christentum. Er hätte wahrscheinlich sogar vorhergesagt, dass die Archäologen eines Tages in der Gegend der Salisbury Plains eine Truhe voller Menschenärsche auf Pergament finden werden, die an einer Sonnenwendfeier gezeichnet worden waren, die dreitausend Jahre vor der Erfindung des Fotokopierers stattgefunden hatte.

    Da Andys eigene Kommerzialisierung der Vorweihnachtszeit bisher verdammt enttäuschend ausgefallen war, hatte er dem Pfarrer nicht zustimmen können. In Anbetracht seiner Einnahmen der vergangenen drei Samstage würden ein paar Fotokopien seines eigenen Arschs wohl als Geschenke für Freunde und Familie ausreichen müssen.
    Doch siehe, es begab sich zu dieser Zeit etwas Wunderbares. Er hatte den Großteil des Samstagmorgens abgeschrieben, erst gegen halb zwölf seinen Platz eingenommen und akzeptiert, dass er wohl am Abend nicht früher Schluss machen und sich das letzte Heimspiel des Jahres im Brockville Park ansehen konnte. Er kreuzte die West Nile Street und sah vor sich: überhaupt nichts! Eine weite Leere, wo sonst immer der NAMSP gestanden hatte, die manche Leute immer noch umgingen, als würde sie ihr Unterbewusstsein davor warnen. Andy wurde von einer spontanen Adventseuphorie gepackt, und er kaufte sich eine blinkende Weihnachtsmannmütze bei dem schmierigen Typen, der den Rest des Jahres Feuerzeuge vertickte, nahm seinen Platz ein und sang aus voller Kehle die eine Slade-Nummer, zu der er sich eigentlich niemals hatte herablassen wollen.
    Er schrammelte etwas leiser auf die Bridge zu, damit er für die letzte Strophe schön laut werden konnte, als ihn eine Lautsprecherstimme zusammenzucken ließ. Zu seiner großen Erleichterung stellte er aber sogleich fest, dass er die Stimme kannte und sie weder live noch amerikanisch war. Es war das gesprochene Intro der Extended Album Version von One Step Beyond. Dummerweise war es jetzt schon dröhnend laut, bevor die Musik überhaupt angefangen hatte.
    Vor Andy drehten sich alle Köpfe gleichzeitig Richtung Royal Exchange Square, als der

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