Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
jetzt nicht mehr an, aber es blieb spannend, denn er wusste nicht, was sie vorhatten. Leise setzte die Gitarre ein, und die fünf setzten sich wieder inBewegung, als hätten sich die elektrischen Impulse aus dem Gerät auf sie übertragen. Wie eine altmodische Stop-Motion-Animation ruckelten sie vorwärts und beschrieben einen weiten Kreis um die Zuschauer herum. Als sie wieder am Startpunkt angelangt waren, bogen sie auf die breite Eingangstreppe der Bank zu, und die Menge teilte sich vor ihnen.
»Ist vielleicht ’n Protest oder so.«
»Klar. Die Bank unterstützt bestimmt irgendwo ’ne Regierung, die Clowns unterdrückt, was? Glaubst du doch selber nicht.«
»Nee, die wollen sagen, die Leute von der Bank sind selber Clowns, oder so.«
»Ach, Quatsch. Gleich lassen die ’nen Hut rumgehen, wirst schon sehen.«
Bisher deutete zum Glück nichts darauf hin. Die fünf schlängelten sich zuckend die Stufen hinauf auf die Glasflügeltür zu, vor der sich der Kleine hinkniete. Die nächsten beiden stiegen über ihn hinweg, und jeder öffnete zu einem Crescendo des Songs einen Flügel. Die letzten beiden stiegen über den Kleinen und gingen in die Bank, wonach der plötzlich wieder aufrecht und mit dem Gesicht zum Publikum stand. Er verbeugte sich mit weit ausholender Geste, ging rückwärts ins Gebäude, und die ersten beiden schlossen vor ihm die Tür: der Vorhang war gefallen.
Die Menschenmenge draußen fühlte sich betrogen, die Enttäuschung war deutlich zu spüren. Es war, als wären die Außerirdischen endlich gelandet, hätten mit dem Arsch gewackelt und wären dann sofort wieder mit dem Mutterschiff abgehauen, bevor sie jemand hatte fragen können, wie es Elvis gehe und ob der eine Schuss von Peter van Vossen schon im Pferdekopfnebel angekommen sei. Die Stimmung hielt aber nicht lange an, weil plötzlich allen wieder einfiel, dass sie noch die Teemaschine für Tante Senga besorgen mussten, und sie straffen Schrittes weitergingen, als wären sie nie stehen geblieben.
Andy war über die fehlende Auflösung zwar ein bisschen enttäuscht, aber hauptsächlich freute er sich, dass der Bann gebrochen war. Er kehrte an seinen Platz zurück und ließ sich dazuinspirieren, da weiterzumachen, wo die fünf aufgehört hatten. Fröhlich schlug er die energisch-schnellen Akkorde von Boston Tea Party an und störte sich nicht weiter daran, dass alle, die den Song wahrscheinlich wiedererkennen würden, gerade in der Bank verschwunden waren.
Zeugenaussage:
Michelle Jackson (26)
Michelle tat hinter dem PC im bedauerlicherweise offen angelegten Kundeninformationsbereich beschäftigt und war entschlossen, selbst dann nicht zu den Kunden hinüberzuschauen, wenn die sich ausziehen und beieinander Kriegsbemalung auftragen würden. Mit ungespielt angestrengtem Blick tat sie so, als würde sie eine Seite voller sinnloser Zahlen studieren, während sie das Ergebnis einer Internetsuche in einem minimierten Fenster abwartete. Sie recherchierte gerade Mittel gegen Kater, danach war das britische Arbeitsrecht dran (sie wollte wissen, ob sie am Samstagmorgen nach der Filialweihnachtsfeier wirklich zur Arbeit gezwungen werden durfte), dann die Menschenrechte der EU (ob man am Samstag überhaupt zur Arbeit gezwungen werden durfte) und schließlich die Website von Exit (weil sie sich würde umbringen müssen, falls ein gewisser Zwischenfall auf der Party bekannt wurde).
Samstagmorgen, verdammt noch mal – das war doch nicht in Ordnung. Wen interessierte schon, wann man unter der Woche nach Hause kam; wer konnte schon etwas mit einem Dienstagnachmittag anfangen? Ihr ging’s auch nicht um irgendwelche religiösen Traditionen – in diesem Teil der Welt war Samstag der Ruhetag, vor allem wenn man am Freitagabend davor ernsthaft gesoffen hatte. Ihre Gewerkschaft war mit den Tücken der Fusion überfordert gewesen und hatte sich in diesem Punkt übers Ohr hauen lassen. Die Leute von der Baugesellschaft hatten sowiesoschon samstagvormittags gearbeitet, was dem neuen Leitungskollektiv einen gehörigen Verhandlungsvorteil gab, aber natürlich war das Hauptargument in den Verhandlungen die Garantie gewesen, dass es dann zu keinen »betriebsbedingten Kündigungen« kommen würde. Die Schweine wussten, dass sich samstagmorgens arbeiten deutlich besser anhörte als gar nicht mehr arbeiten, aber gerade kam ihr der Gedanke an Arbeitslosigkeit eigentlich ganz reizvoll vor.
Sie hatte nur noch eine gute Viertelstunde bis Feierabend, aber dieses
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