Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
führte dazu, dass sie mehr Freunde als Freundinnen hatte, brachte ihr aber ansonsten keinen großen Respekt ein. Nur wurde sie sehr bald nicht mehr als letzter Spieler gewählt.
Als sie dann also auf der Secondary School war, gewährten ihre Eltern ihr dieselben Freiheiten wie James, was sicher nicht der Fall gewesen wäre, wenn sie gewusst hätten, dass Angelique auch dasselbe damit vorhatte wie er. James hatte lange um die Erlaubnis kämpfen müssen, ins Stadion nach Parkhead gehen zu dürfen, und er bekam sie nur, wenn er versprach, dass ein Vater, Onkel oder großer Bruder eines seiner Freunde dabei sein werde. Angelique wusste, dass sie die gleichen Chancen auf eine Erlaubnis hatte, alleine zu einem Rangers-Spiel zu gehen, wie Idi Amin auf eine Einladung zum Sonntagsessen, also musste sie ein bisschen improvisieren – oder lügen, wie man es auch nennen konnte. Als sie ihre Eltern daran erinnerte, dass James in ihrem Alter mit seinen Freunden zu einem Spiel bis nach Aberdeen hatte fahren dürfen, bekam die fast zwölfjährige Angelique die Genehmigung, mit ihren Freundinnen im viel näheren Paisley ins viel sicherere Kelburne Cinema zu gehen. Das mit dem Kino war gelogen, das mit den Freundinnen auch, aber nach Paisley fuhr sie wirklich und sah dort zum ersten Mal die Rangers in Aktion.
Sie waren erbärmlich. Drei-null Niederlage nach Toren vonScanlon, McDougall und Jarvie. Und das war nur der letzte Teil einer beschämenden Serie, die Sportreporter schon zu Witzen über ein bevorstehendes Relegationsspiel gegen Partick Thistle verführt hatte. Aber für Angelique, die auf der Tribüne an der Caledonia Street stand, hätten sie genauso gut gerade in Barcelona den Europapokal der Pokalsieger gewinnen können: Es war ihr Verein, und endlich konnte sie ihn im Stadion spielen sehen. Die Niederlage war nur noch ein Grund mehr, warum sie so bald wie möglich wiederkommen musste, was sie viele Jahre lang, immer allein und heimlich, tun würde.
Als Angelique an diesen kalten, dunklen Tag in Paisley zurückdachte, blieb sie kurz oben an der Treppe stehen und ließ den Blick über das Stadion schweifen, das sich stetig füllte, bevor sie an ihren Stammplatz ging. Sie dachte an das Mädchen, das sie damals war, und fragte sich, was es wohl von der Frau halten würde, die heute dreißig geworden war. Wäre es wohl beeindruckt von ihrer Karriere, von allem, was sie konnte und was sie erreicht hatte? Bestimmt: Die junge Angelique hatte immer Leute bewundert, die es den Schlägern, den Fiesen und den Kleinkriminellen zeigten. Wäre sie wohl enttäuscht, dass sie immer noch allein lebte und keinen muskulösen Beau an ihrer Seite hatte? Vielleicht ein bisschen, aber sie hatte eigentlich nie so sehr davon geträumt, sich erobern zu lassen. Wäre sie der Meinung gewesen, dass Ersteres gewisse Zugeständnisse bei Letzterem wert war? Zweifellos. Aber was wusste ein starrsinniger, zwölfjähriger Wildfang schon von Desillusionierung? In dem Alter war sie noch voller trotziger Niederlagenlust und fühlte sich nur noch stärker, wenn sie ihr eigenes Blut schmeckte. Das dumme, kleine Huhn hatte sich für ein Drei-Null-Schützenfest bei St Mirren begeistern können, verdammt noch mal.
Das war doch armselig, dachte sie, als sie zu ihrem Platz hinunterging, genau die Art sinnloser, sentimentaler Nabelschau, die sie bis vor Kurzem niemandem hätte durchgehen lassen. Wie war es so weit gekommen? Sie malte sich wehmütig aus, was sie ihrem jüngeren Ich gern sagen würde. Absolutes Versagerverhalten. Vielleicht wäre es konstruktiver, wenn sie sich überlegte, was ihr jüngeres Ich ihr wohl sagen könnte, so schrill, neunmalklug und direkt das auch wäre.
»Stell dich nicht so an. Du hast Probleme – ich muss hier zugucken, wie wir an der Love Street fertiggemacht werden, Graeme Souness taucht erst in drei Jahren auf, und Cammy Fraser ist aufgestellt, aber beschwer ich mich? Jetzt reiß dich mal zusammen, Mädchen!«
Das waren noch Zeiten. Nicht unbedingt Zustände, die bei jedem Nostalgie auslösen würden, weder das Team noch der Trophäenschrank konnten beeindrucken, aber bei jeder Beziehung hat man die wärmsten Erinnerungen an den Anfang. Das war vielleicht auch das Gute an den jüngsten Enttäuschungen des Vereins: Gerade jetzt kurz vor Saisonende, als Celtic auf den Titel zusteuerte, erinnerte Angelique sich immer wieder an ihre ersten Rangers-Spiele. Oft saß sie in der letzten Zeit eine Viertelstunde vor Schluss bei ein,
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