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Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)

Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)

Titel: Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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unverkennbare Saxofon-Riff des Madness-Instrumentalhits schlechthin erklang. Mit ein bisschen Glück war es bloß ein Werbewagen, der eine Bar, ein Weihnachtstheater oder einen Ausverkauf ankündigte. Da er wusste, dass er fürs Erste unsichtbar geworden war, steckte er sein Plektrum ein und stellte sich auf den Gitarrenkoffer, um über die Köpfe der anderen sehenzu können, die alle stehen geblieben waren und die Hälse reckten. Es war kein Wagen und keine Werbung, außer vielleicht für Antihalluzinogene.
    Sie waren zu fünft – alles Männer, nahm er an, war sich aber nicht hundertprozentig sicher – und marschierten in der Tanzkette auf ihn zu, die alle aus den Madness-Videos kannten und deren Andenken später von der berüchtigt unglücklichen Musical-Einlage in Der Frühstücksclub auf ewig beschmutzt worden war. Es war eine ruckelige Stampfpolonaise, deren Teilnehmer die fast verzahnten Knie, Fäuste und Ellenbogen synchron vor und zurück bewegten. Diese Koordination allein hätte schon gereicht, um an einem Samstagmorgen in Glasgow alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber auch sonst waren sie nicht zu übersehen. Alle fünf waren identisch als Clown geschminkt: unmenschlich grünes Gesicht, blaue Kreuze über den weinenden Augen und ein breites, fröhlich böses Grinsen von einem Ohr zum anderen. Sie trugen alle rote Lockenperücken und weite, bunte Overalls mit einem breiten gelben T über den Schultern und den Rumpf hinab mit grünen und blauen Streifen zu beiden Seiten.
    Der in der Mitte hatte einen Ghettoblaster geschultert und drei der anderen hatten knallgelbe Rucksäcke auf, was die Choreografie noch beeindruckender machte. Der Vorderste musste wohl nichts tragen, weil er über einen halben Meter kleiner war als die anderen. Ein weiterer Grund für seine Unbepacktheit wurde bald klar: Als sie die Buchanan Street entlangtanzten, wurde er von seinem Hintermann in die Luft geschleudert und nach einem Salto vom Letzten aufgefangen. Als er dort wieder auf den Boden gesetzt wurde, drehte sich die ganze Gruppe um hundertachtzig Grad, sodass der Kleine wieder führte.
    Diese Einlage wiederholten sie noch zweimal, während sie vor der Bank auf- und abmarschierten und die Leute einen großen Kreis um sie bildeten, von dem Andy aber ausgeschlossen war. Also sammelte er das bisschen Kleingeld ein, das die ersten beiden Strophen eingebracht hatten, und ging hinüber, um sich die hoffentlich kurze Darbietung anzusehen.

    »Ist bestimmt Werbung für McDonalds«, sagte eine Stimme aus der Menge, was Andy bezweifelte. Die Haare, die Overalls und die Schminke passten nicht, und der Manager der Evil Global Marketing Corp, der vorschlug, Ronald McDonald solle Tränen auf den Wangen haben, würde sicher bald seinen Hut nehmen dürfen. Der Kultentertainer, als der sie sich verkleidet hatten, war zwar für seine Schminke bekannt, ein Clown war er aber bestimmt nicht. Jetzt konnte Andy sehen, dass sie nicht bloß gleich geschminkt waren, sondern sogar das gleiche Gesicht hatten. Die roten Locken gehörten wohl zu einer ganzen Latexmaske. Das kam ihm wie eine ziemlich teure Aufmachung für Straßenkünstler vor, was ein finanzielles Motiv eigentlich ausschloss.
    Der Song erreichte sein hallendes, bebendes Ende, und die fünf Tänzer kamen langsam zum Stehen wie eine bremsende Dampflokomotive. Die Zuschauer spendeten herzlichen Applaus, und mehrere bekundeten, es sei »viel besser als die Scheißroboterpantomimen, die man sonst auf der Argyle Street sieht«. Andy klatschte mit, als er verstand, dass die Truppe keinen Hut rumgehen ließ.
    Ein paar der Zuschauer gingen weiter, aber viele blieben erwartungsvoll stehen. Dem Gesetz der Fußgängerneugier folgend kamen viele Neue dazu, die zwar noch nichts gesehen oder gehört hatten, aber wissen wollten, warum alle anderen bei der Scheißkälte plötzlich stehen geblieben waren. Verdammt noch mal, dachte Andy, die machten nicht mal was, und trotzdem zogen sie mehr Leute an als er in einem Monat.
    Seit dem Ende des Songs standen die fünf stocksteif da. Das waren erst höchstens zwanzig Sekunden, aber wegen der Ungewissheit und Spannung wirkte es viel länger. Dann bewegte der in der Mitte einen Finger, und wieder schallte Musik aus dem Ghettoblaster: ein tiefer, schnell pulsierender Bass-Synthesizer.
    »Ach nee, jetzt machen die doch noch diese Roboterscheiße.«
    Andy wusste es besser. Er lächelte, als er den Track erkannte: Faith Healer. Eine rhythmische Ska-Einlage stand

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