Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
noch hier festgehalten.«
»Können Sie mir das versprechen?«
Bevor Jarry antworten konnte, kam ein weiterer Clown durch die Sicherheitstür am Ende des Raums neben den Mitarbeitertoiletten. Das war wohl der, den Jarry Chagall genannt hatte, der »an Plan B arbeitete«.
»Mr J«, sagte er in einer natürlich raumfüllenden, aber etwas atemlosen Stimme, als wäre er die Treppe hinaufgerannt.
»Mr Chagall. Darf ich Ihnen unseren Besuch Officer de Xavia vorstellen? Sie hat heute Geburtstag.«
»Hallo«, grüßte er sie verlegen. »Und alles Gute.«
Angelique warf Jarry einen bösen Blick zu, aber der sah Chagall an.
»Kann’s losgehen?«
»Tja, ja und nein«, erwiderte Chagall unruhig.
»Das heißt?«
»Losgehen wird’s auf jeden Fall, ich weiß nur nicht, ob wir so weit sind. Schau lieber mal.«
»Scheiße.«
Jarry sprang vom Tisch und bedeutete Angelique mit einem Nicken, es ihm gleichzutun. »Begleiten Sie mich doch«, bat er.
Sie folgten Chagall eilig durch die Tür und die Treppe hinunter in einen Kellerflur, an dessen näherem Ende sich der Eingang zum Safe befand. Die glänzende Stahltür sah aus, als könnte sie zu einer Luftschleuse gehören: Sie war zylinderförmig, stand vorne wie eine Blase vom Rahmen ab und wurde von zwei riesigen Scharnieren gehalten, deren jeweils vierarmiges Gestänge fast organisch ins Türblatt überging. Der Safe ließ sich mit einem riesigen Drehrad öffnen, das aussah, als bräuchte man dazu einen Servoantrieb, und in dessen Querstange eine LED -Anzeige eingelassen war, die im Moment neun Nullen zeigte.
Da Ionescos elektronische Safeknacker-Bemühungen von einem veralteten Prozessor ausgebremst worden waren, hatte Chagall an einer traditionelleren Methode gearbeitet. Um beide Scharnierewar Plastiksprengstoff – eine Menge Plastiksprengstoff – geformt, und eine dritte, noch größere Ladung in Form eines Halbmonds verlief entlang der anderen Hälfte des Türspalts. Ein Netz aus Kabeln spannte sich vom oberen Scharnier aus über die Tür zu den anderen beiden Ladungen wie einer von Rapunzels Zöpfen.
Angelique war keine Expertin, aber der Aufbau sah hochprofessionell aus, und sie hatte keine Zweifel, dass er die Tür aufsprengen würde. Weniger sicher war sie sich, ob das Gebäude danach noch stehen würde.
»Sieht doch gut aus«, urteilte Jarry gelassen. »Wo ist das Problem?«
Chagall nickte auf ein Gerät am Boden, in das die Kabel liefen. Auch darauf gab es ein LED -Zifferndisplay. Doch anders als bei dem auf der Tür, passierte auf diesem etwas: Die Minuten, Sekunden und rasenden Zehntel zählten herunter. Weniger als acht Minuten.
»Der Timer steht standardmäßig auf zehn Minuten«, erklärte Chagall.
»Ich weiß«, erwiderte Jarry, jetzt etwas ungeduldig. Sie alle wussten, was kam, aber Chagall musste es trotzdem noch aussprechen, bevor sie darauf reagieren konnten.
»Ich wollte die Zeit einstellen und hab Reset gedrückt, aber stattdessen hat das Teil angefangen runterzuzählen.«
»Du hast den falschen Knopf gedrückt? Aber du musst doch noch mal bestätigen, wenn …«
»Nein«, unterbrach ihn Chagall. »Ich hab doch gesagt, ich hab Reset gedrückt, und das Scheißteil hat sich einfach selbstständig gemacht und ist losgelaufen.«
»Aber wir sind noch nicht so weit. Wir warten doch noch auf … Scheiße, Mann, das kann doch nicht wahr sein!« Mit Jarrys scheinbar unerschütterlicher Ruhe war es schnell vorbei. »Das Teil kann sich doch nicht selbst … Mann, wie oft hast du die Teile ausprobiert?«
»Tausendmal.«
»Ich hab’s ja selbst gesehen.«
»Das ist ja die Scheiße. Ich hab alles gemacht wie immer, aber das Gerät spinnt. Keine Ahnung, vielleicht sind die Schaltkreise feucht geworden bei dem ganzen Scheißregen in diesem Dreckskaff.«
Jarry schnaufte; man sah ihm die Anspannung am ganzen Körper an. »Hätten ’ne Fernbedienung nehmen sollen«, sagte er halblaut.
»Haben wir doch alles durchgespielt. Hier gibt’s zu viel Stein. Zu Hause sind die Banken bloß aus Stahlträgern und Gipskarton, aber das Gebäude hier ist gebaut wie ’ne Kathedrale. Nur deshalb können wir ja überhaupt versuchen, so einen Safe hochzujagen. Mit dem ganzen Sprengstoff würde man fast jedes andere Haus einebnen.«
»Woher wollen Sie wissen, dass das hier stehen bleibt?«, fragte Angelique.
»Kannst du die Ladung nicht mehr entschärfen? Den Scheißkasten einfach abklemmen?«, fragte Jarry. Beide ignorierten Angeliques Einwand.
»Ich könnte
Weitere Kostenlose Bücher