Die Holzhammer-Methode
See hab ich schon Verstärkung geschickt», sagte Holzhammer.
«Gut, die sollen dort in Bereitschaft bleiben. Oder nein, sie sollen mit dem Boot der Wasserwacht nach Salet fahren. Dann sind sie schon näher dran.»
Holzhammer ging zum Telefonieren in sein Büro. Als Erstes gab er die Anweisung zum See weiter, dann rief er beim Kärlingerhaus an. Nach zehnmal Läuten ging endlich jemand ans Telefon. Holzhammer verlangte den Wirt zu sprechen, den er ganz gut kannte, und bekam ihn schließlich an den Apparat.
«Servus, Holzhammer hier. Sag, würde dir eine einzelne ältere Frau mit grauen Haaren auffallen?»
«Um mich das zu fragen, rufst du jetzt an? Hast du eine Ahnung, wie es hier momentan zugeht?» Der Wirt sprang fast durchs Telefon.
«Sei still, wir suchen eine Mörderin. Und es ist möglich, dass sie bei dir vorbeikommt. Wenn sie sich beeilt hat, kann sie schon draußen auf der Terrasse sitzen.» Holzhammer sah auf die Uhr. Er wusste nicht, wieweit die Angaben der Zeugen stimmten, auf denen seine Berechnung beruhte. Aber er wollte den Wirt auf Trab bringen.
«Oh, das ist ja phantastisch. Genau das hab ich gebraucht. Dann komm bitte sofort her und hol das Weibsbild ab.» Der Wirt hörte sich keineswegs ängstlich an. Es brauchte mehr als eine Serienmörderin, um einen Berchtesgadener Hüttenwirt aus der Fassung zu bringen.
«Ich komm, wenn sie da ist», versprach Holzhammer, «sie ist den Sagerecksteig hoch, und wir haben keine Ahnung, welche Richtung sie dann oben genommen hat.»
«Weit wird sie heute jedenfalls nicht mehr kommen», antwortete der Wirt, «was glaubst du, warum hier gerade so ein Zugang ist.»
«Wie meinst du das?»
«Sag, den Wetterbericht hat heute noch niemand gehört von euch Superbullen, oder? Hinter dem Watzmann zieht gerade ein Unwetter her. In zwei Stunden ist hier die Hölle los, das sag ich dir.» Der Hüttenwirt legte die Betonung auf das «ich», um zu unterstreichen, dass diese Voraussage von besonders kompetenter Stelle kam.
«Hm, dann können wir den Hubschrauber vergessen», murmelte Holzhammer.
«Hör zu, das interessiert mich momentan einen Dreck. Ich hab hier jetzt schon zweihundertvierzig Leute, die ich auf zweihundertzwanzig Lager verteilen muss, und in zwei Stunden werden es wahrscheinlich zweihundertachtzig sein. Und wenn sich rein zufällig eine Mörderin darunter befinden sollte, dann sag ich Bescheid. Aber ansonsten würde ich jetzt gern meine Arbeit machen. Also, Pfüati!» Damit legte der Wirt entschieden auf.
Holzhammer sah aus dem Fenster. Von hier war noch kein Unwetter zu sehen, aber wenn es stimmte, was der Wirt gesagt hatte, dann würde es nicht mehr lange auf sich warten lassen. Er ging zu Fischer hinüber, der gerade telefonierte: «Was heißt hier Schlechtwetterfront … nein, haben wir nicht! … Verdammt!» Fischer legte den Hörer auf.
«Schlechtwetter kommt», sagte Holzhammer und konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.
«Ach, hast du das auch schon gehört. Die Bergwacht sagt, sie rücken nicht aus, wenn niemand in Bergnot ist. Und eine Mörderin sei keine Not, schon gar nicht bei Gewitter. Aber wenigstens der Hubschrauber kommt. Allerdings haben die mir nicht viel Hoffnung gemacht. Sie meinten, sie schaffen es, bis zum Unwetter die Steige abzufliegen, aber sie sagen, Richtung Wasseralm sind viele Bäume.»
«Das stimmt», bestätigte Holzhammer. «Ich hab übrigens am Funtensee angerufen. Da geht’s grad zu. Alle Wanderer wollen noch einen Schlafplatz, bevor es losgeht.»
«Und die Wasseralm?»
«Die haben kein Telefon. Weder Festnetz noch Handyempfang. Theoretisch haben sie Satellitentelefon, aber das benutzen sie nicht, weil es so teuer ist.»
«Unglaublich. Hm, aber die Mörderin wird das als Einheimische wissen, oder?»
«Keine Ahnung. Ich glaub nicht, dass sie sich viel auf Hütten aufgehalten hat – viel zu viele Menschen.» Holzhammer sah auf die Uhr. «Bis zur Wasseralm würde sie jedenfalls von jetzt an noch bestimmt zwei Stunden brauchen. Aber was sollte sie dort wollen?»
«Was diese Verrückte will, ist nebensächlich, das können wir sowieso nicht wissen.»
«Können wir doch», fiel Holzhammer plötzlich ein. «Hier muss ein Umschlag angekommen sein, vom Berg.»
«Was für ein Umschlag? Was soll da drin sein?»
«Ein Testament oder so was.» Beide sahen sich im Zimmer um, bis ihr Blick an Fischers Posteingangskorb hängenblieb. Darin lag ein großer Umschlag mit Spusi-Aufkleber. Fischer öffnete ihn und
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