Die Holzhammer-Methode
umsonst trieb er sich seit Jahren in amerikanischen Internet-Foren herum. Aber das brauchte sein Chef nicht zu wissen.
«As soon as possible, Sie Büffel. Haben Sie die Frau überhaupt schon zur Fahndung ausgeschrieben?» Vor lauter Aufregung vergaß Fischer mal wieder, dass er Holzhammer duzte.
«Ich glaube nicht, dass das viel Sinn macht», sagte der ruhig. «Wir wissen zwar nicht, wann sie weg ist, aber die Frau hat kein Auto, vermutlich nicht mal einen Führerschein. Und die Taxler hab ich schon gecheckt. Die Linienbusse auch.»
«Und ein Fahrrad? Hat sie ein Fahrrad? Ist es da, ist es weg? Hast du die Nachbarn befragt?» Fischer war froh, dass ihm ein Verkehrsmittel eingefallen war, an das Holzhammer nicht gedacht hatte.
«Der Matthias ist im Krankenhaus, bei der Christine. Aber der war arbeiten heute Vormittag, hat also nichts mitbekommen.»
«Und die anderen? Mann, wo hast du deinen Beruf gelernt?» Endlich hatte Fischer einen Fehler gefunden, den er Holzhammer ankreiden konnte.
«Ich hab getan, was ich konnte. Ich bin halt kein Kriminaler, ja? Wenn du hier gewesen wärst, hättest du ja mitfahren können.» Normalerweise hielt Holzhammer sich mehr zurück, aber diesmal reichte es ihm.
Fischer lief knallrot an. «Das ist ja wohl die Höhe!», brüllte er. Doch bevor er sich in einen echten Wutanfall hineinsteigerte, besann er sich darauf, dass sein Untergebener nicht ganz unrecht hatte. Außerdem gab es immer noch eine flüchtige Mörderin zu fassen. Er atmete tief durch, dann sagte er: «Okay, wir machen Folgendes. Alle Ausfallstraßen werden gesperrt. Das organisierst du. Ich selber gebe eine bundesweite Fahndung raus. Ich werde auch auf dem kurzen Dienstweg in Österreich anrufen, damit die Frau in keinen Flieger kommt. Und dann durchkämmen wir die ganze Gegend. Mit Streifenwagen, Fußvolk und Hubschrauber. Wir brauchen das Phantombild und so schnell wie möglich auch ein echtes Foto. Vielleicht findet sich eins im Haus. Und die Nachbarn müssen befragt werden.»
«Also erstens Straßen, zweitens Foto, drittens Nachbarn», wiederholte Holzhammer und wandte sich zum Gehen. Trotz der ungerechtfertigten Brüllerei seines Chefs war er froh, dass er mit dieser Sache nicht mehr ganz allein dastand.
Die Straßensperre erforderte nur einen kurzen Anruf in der Kreisstadt. Von dort wurden die Streifenwagen entsprechend dirigiert. Holzhammer bezweifelte, dass diese Maßnahme irgendetwas bringen würde, aber er sah ein, dass sie dazugehörte. Anschließend fuhr er zurück zum Tatort. Dort angekommen, sah er, dass Josef Berg mit seiner Truppe bereits an der Arbeit war. Sie hatten sich diesmal wirklich beeilt. Soeben hob ein Mitarbeiter den Deckel der Mülltonne an, um die darin befindlichen Hinterlassenschaften zu untersuchen. Doch Holzhammer kannte die Spurensicherer gut genug, um sie nicht mit neugierigen Fragen bei der Arbeit zu stören. Er wandte sich gleich dem ersten von drei Nachbarhäusern zu. Darin wohnte eine einheimische Familie. Im Haus gegenüber hatte sich ein Münchner Ehepaar zur Ruhe gesetzt. Und im Haus rechts von dem der Schön lebte Matthias. Hinten grenzte das Grundstück direkt an den Wald.
Bald war klar, dass keiner der Nachbarn an diesem Morgen etwas beobachtet hatte. Alle gaben an, dass die Frau schon immer ziemlich seltsam, missgünstig und unsympathisch gewesen sei. Das wusste Holzhammer schon. Es brachte ihn jedoch bei der Suche nach ihr kein Stück weiter. Holzhammer ging ins Haus der Täterin zurück und erzählte Josef Berg, dass er nichts Sinnvolles erfahren hatte. «Keine Ahnung, wann und wie sie geflohen ist. Jedenfalls nicht mit dem Auto.»
«Hat sie ein Fahrrad?», fragte Berg.
«Flüchtet eine Rentnerin per Fahrrad?», fragte der Hauptwachtmeister zurück. Diese Theorie schien sich neuerdings allgemeiner Beliebtheit zu erfreuen. Trotz seiner Zweifel ging er ums Haus, um nachzusehen, und fand tatsächlich, um eine Regenrinne gelegt, eine dicke Kette mit Schloss. Das zugehörige Fahrrad fehlte. Also ging Holzhammer noch einmal zum nächsten Nachbarn und ließ sich das Fahrrad der Schön beschreiben. Der hatte sie tatsächlich oft damit fahren sehen. Es hatte eine hölzerne Kiste für Einkäufe auf dem Gepäckträger, das war immerhin etwas. Er erwähnte außerdem, dass sie bei ihren Einkaufsfahrten manchmal einen roten Rucksack auf dem Rücken gehabt habe. Holzhammer rief noch einmal in der Zentrale an und ergänzte die Fahndung entsprechend: «Schaut auch, ob irgendwo das
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