Die Homoeopathie-Luege
dafür nicht ihr eigenes Portemonnaie zücken muss. Und verglichen mit dem wissenschaftsbasierten Kassenarzt, der sein Patientengespräch kurz halten muss, weil er dafür nur wenige Euro abrechnen kann, wird der Homöopath im Kassensystem groÃzügig honoriert: Für die einstündige Erstanamnese erhält er ein Honorar von 90 Euro, 45 Euro bringt das halbstündige Folgegespräch, und wenn er den Fall eines Patienten analysiert und für dessen Krankheitssymptome die passenden Globuli heraussucht, bekommt er noch einmal je 20 Euro dazu.
Kein Wunder, dass sich bundesweit schon 1300 Ãrzte allein in den Vertrag der TK eingeschrieben haben. Sogar Kliniken sind über Homöopathie-Verträge mit der TK verbunden: Seit 2010 bekommen TK-Versicherte im Berliner Immanuel Krankenhaus Homöopathie auf Chipkarte. Und im Kinderkrankenhaus St. Marien in Landshut werden kleine TK-Patienten im Rahmen ihres Klinikaufenthalts ebenfalls homöopathisch von der Kasse versorgt.
Offensichtlich wird das Angebot der TK auch von den Patienten gut angenommen: Bundesweit haben sich 14 von 1000 Versicherten in den Vertrag eingeschrieben, wie die Kasse im Mai 2012 vermeldete. Das sind bei 8,1 Millionen Versicherten etwa 100000 Patienten, die sich anscheinend sehr wohl damit fühlen, in diesem Rahmen Leistungen bezahlt zu bekommen, für die sie sonst eventuell mehrere Hundert Euro aus der eigenen Tasche hinlegen müssten. Offenbar eine attraktive Offerte.
Mit einer solchen geht auch die noch gröÃere Barmer GEK ins Rennen: Seit 2011/2012 hat sie mit Ãrzten in den Pilotregionen Schleswig-Holstein, Thüringen, Saarland und Mecklenburg-Vorpommern IV-Verträge geschlossen, zu ähnlichen Abrechnungskonditionen wie die Techniker Krankenkasse.
Darüber hinaus blüht im Kassenwesen längst eine bunte Vielfalt weiterer Angebote, die die Homöopathie gesellschaftsfähig und ihre Abrechnung für Ãrzte attraktiv gemacht haben: Bei der Securvita und diversen anderen Betriebskrankenkassen segelt die Homöopathie unter der Fahne eines Vertrags zur »besonderen ambulanten Versorgung«, geschlossen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen als Mittler zwischen Kassen und Ãrzten. Zur Rechtfertigung solcher Verträge steht dann statt der »Integration« die »Innovation« im Gesundheitswesen im Vordergrund â und diese innovative Zusammenarbeit verschafft homöopathisch arbeitenden Medizinern dann ähnlich hohe Sätze wie die Verträge zur Integrierten Versorgung.
Und zu guter Letzt erfüllen die Kassen ihren Kunden mit unterschiedlichsten Wahltarifen oder privaten Zusatzversicherungen homöopathische Wünsche à la carte. Die kleine »BKK vor Ort« hat den Wahltarif »HomöopathiePlus« im Programm: Wer ein paar Euro extra im Monat bezahlt, bekommt von der Kasse ärztlich verordnete homöopathische Medikamente (und auÃerdem noch pflanzliche und anthroposophische) bis zu einem bestimmten Betrag erstattet. Die Securvita hat sich mit der Wuppertaler Privatkasse Barmenia zusammengetan und bietet die Zusatzpolice VitaStart an. Darüber sind dann zum Beispiel auch noch Besuche beim Heilpraktiker oder Homöopathie vom Privatarzt abgedeckt. Und bei der TK wiederum arbeitet man mit dem Privatversicherer Envivas zusammen, um das alternativmedizinische Angebot aufzustocken.
Das volle Programm: Arztgespräche und Globuli auf Kassenkosten
Sogar homöopathische Arzneimittel sind seit Kurzem wieder erstattungsfähig. Seit der Gesundheitsreform 2004 mussten erwachsene Homöopathie-Patienten die eigentlich selbst zahlen. Damals flogen rezeptfreie Medikamente in hohem Bogen aus dem gesetzlichen Leistungskatalog â und mit ihnen Globuli, homöopathische Tropfen und Tabletten, weil die so gut wie immer rezeptfrei sind. Nur noch für Kinder bis zwölf Jahre, einige Jugendliche und manche schwer Kranke wurden Homöopathika seitdem übernommen.
Doch inzwischen steht es den Kassen wieder frei, homöopathische Mittel zu erstatten. Das sogenannte Versorgungsstrukturgesetz eröffnet seit Anfang 2012 diese weitere Option im Wettbewerb. Eine Nische, in die sogleich die groÃe Techniker Krankenkasse (TK) und die kleine Hanseatische Krankenkasse (HEK) vorstieÃen. Seit Januar 2012 müssen deren Versicherte das Geld für Homöopathika zwar immer noch in der Apotheke vorstrecken, können das Rezept aber danach zur
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