Die Homoeopathie-Luege
Vertrag zur »Integrierten Versorgung«, kurz »IV«, nach Paragraf 140aff. des SGB V. Seit einigen Jahren dürfen gesetzliche Kassen solche Kontrakte mit Krankenhäusern oder Reha-Kliniken, mit Haus- und Fachärzten, Apothekern und sogar mit Pharmaherstellern schlieÃen, wenn sie sich davon weniger Kosten und eine effizientere und bessere Behandlung ihrer Mitglieder versprechen.
In diesen Integrationsverträgen sollen verschiedene Akteure im Gesundheitswesen â zum Beispiel niedergelassene Ãrzte, Kliniken oder Apotheker â enger und effizienter zusammenarbeiten, Daten austauschen und so ihre Patienten besser versorgen: Es macht ja auch zum Beispiel durchaus Sinn, dass der niedergelassene Allgemeinarzt vom Krankenhauschirurgen erfährt, dass es bei der Bauch-OP eines Patienten Komplikationen gab und der frisch Entlassene nun noch Hilfe und spezielle Medikamente braucht. Allerdings sind IV-Verträge für die Kassen auch ein attraktiver Federputz, mit dem sie sich gern schmücken: Denn unter der Fahne der Integrierten Versorgung ist es ihnen gestattet, ihren Versicherten â auch ganz ohne Aufpreis â besondere Leistungen zu offerieren, die nicht über den regulären gesetzlichen Katalog abgedeckt sind. Die klassische Homöopathie nach Samuel Hahnemann mit ihren ausführlichen Gesprächen beim homöopathischen Arzt ist so eine Leistung.
Solche Gespräche werden zum Beispiel von der Techniker Krankenkasse groÃzügig bezahlt: im Rahmen eines IV-Vertrags, der mit der Managementgesellschaft des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ãrzte (DZVhÃ) geschlossen wurde. Ãber den Deutschen Apothekerverband (DAV) sind auch noch speziell fortgebildete Apotheker mit im Boot, die die homöopathisch behandelten Patienten am Verkaufstisch unterstützen sollen. Wenn »Unklarheiten herrschen über die verschriebene Medikation oder die Potenz«, so sollte der Apotheker zum Beispiel »den Patienten zurück an den Arzt verweisen oder im Rahmen seiner durch Fortbildung erworbenen Kenntnisse den Patienten aufklären«, umschreibt der DZVhà die tragende Rolle des Pharmazeuten im IV-Vertrag. AuÃerdem soll der Apotheker gegebenenfalls den Arzt informieren, wenn der Patient »parallel zur homöopathischen Behandlung andere Medikamente verschrieben bekommt oder selbst erwirbt, die die homöopathische Behandlung stören oder behindern können«. Der Apotheker macht im IV-Vertrag also das, was er in der Vorstellung des Laien auch ohne Vertrag machen sollte: Er berät seine Kunden so fachgerecht wie möglich. Und wenn er es für angebracht hält, kann er noch dafür sorgen, dass ein Patient ein nachweislich wirksames, aber leider nach Vorstellung der Homöopathie »störendes« Medikament absetzt, um sich ganz der angeblichen Wirkung der Globuli anzuvertrauen.
IV-Verträge sind offensichtlich ein Erfolgsmodell in der Homöopathie-Szene: Rund 80 gesetzliche Kassen tummeln sich auf dem Feld der Integrierten Homöopathie-Versorgung: Dutzende Betriebskrankenkassen (BKK), aber auch Innungskrankenkassen, Knappschaft oder Landwirtschaftliche Kassen. Es gibt somit in Deutschland schon jetzt mehr gesetzliche Kassen, die die Homöopathie erstatten, als solche, die sich diesem Wunsch ihrer Mitglieder verweigern.
TK-Versicherte müssen etwa nur bei ihrer Kasse nachfragen, welche homöopathischen Kassenärzte beim Vertrag mitmachen, und in einer solchen Arztpraxis eine Teilnahmeerklärung unterschreiben. Schon gibt es Homöopathie-Sitzungen ganz unkompliziert auf Chipkarte: für Erwachsene zum Beispiel ein mindestens einstündiges Erstgespräch (»Erstanamnese«) einmal im Jahr, jedes Quartal eine halbstündige Folgeanamnese und fünfmal im Quartal eine kurze Beratung. AuÃerdem jedes Halbjahr eine aufwendige Analyse und Arzneimittelbestimmung (»Repertorisation«) durch den Arzt (Stand Juni 2012). Ein üppiges Angebot, dass auch anspruchsvolle Versicherte zufriedenstellen sollte.
Auch für den Arzt ist ein solcher Vertrag attraktiv: Zwar muss er erst einmal das Homöopathie-Diplom des Zentralvereins inklusive besonders vieler Weiterbildungsstunden erworben haben und sich zudem regelmäÃig in Homöopathie fortbilden. Dafür bekommt er aber zuverlässig Kassenkundschaft in seine Praxis, die seine ausführlichen Homöopathie-Sitzungen gern in Anspruch nimmt, weil sie
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