Die Homoeopathie-Luege
Rückerstattung einreichen. Sie bekommen dann von der TK die vollen Kosten bis zu maximal 100 Euro pro Kopf und Jahr ersetzt, von der HEK gibt es immerhin noch 70 Prozent zurück, und zwar ebenfalls bis zu 100 Euro im Jahr. Und da beide Kassen ohnehin schon seit Jahren für homöopathische Gespräche beim Vertragsarzt aufkommen, können sie ihren Mitgliedern nun endlich eine Art Hahnemannâsches Rundum-Paket schnüren.
Vorstoà ins Erste-Klasse-Segment
Offenbar will man durch so viel homöopathisches Entgegenkommen auch der Konkurrenz der Privatversicherer den einen oder anderen Kunden abjagen. Dort wirbt man ja längst mit der angenehmen Vorstellung, dass man als Patient erster Klasse mehr erwarten dürfe als in der Holzklasse der gesetzlichen Krankenversicherung. Selbst anspruchsvolle Wünsche werden im Privatsegment selbstverständlich erfüllt. Vom aufwendigen Gesundheits-Check-up inklusive Ganzkörperuntersuchung im Kernspintomografen bis hin zur Extraportion Zuwendung vom Homöopathen: Schon lange erstatten praktisch alle Privatkassen die langen Gespräche beim homöopathisch tätigen Mediziner für ihre Mitglieder.
Und die Kunden der Privaten sind dank klar definierter Mindesteinkommensschwellen bekanntlich die besonders zahlungskräftigen Versicherten, die entsprechend hohe Beiträge zahlen. Zurzeit (Stand Juli 2012) können im Wesentlichen nur Beamte und Selbstständige in die private Versicherung wechseln sowie Arbeitnehmer, die mindestens 50850 Euro brutto im Jahr verdienen. Praktischerweise bekommen die Privatversicherer mit diesen Wohlhabenderen nicht nur besonders viele Versicherte, die ordentlich zahlen, sondern auch eher die Gesünderen, Sportlicheren, Schlankeren, die den Kassen weniger Kosten durch chronische Leiden wie Diabetes Typ 2, Herz- und Kreislaufkrankheiten oder übergewichtsbedingte Rücken- und Gelenkprobleme bescheren. Denn Armut und Krankheit gehen auch hierzulande häufig Hand in Hand: Wer wenig Geld in der Tasche hat, bewegt sich im Schnitt weniger und raucht dafür häufiger. Menschen mit geringen Nettoeinkommen leiden öfter an Diabetes, bekommen eher einen Herzinfarkt oder auch eine Depression. Und sie sind in der Regel bei gesetzlichen Kassen versichert.
Es wäre also kein Wunder, wenn man sich in den dortigen Führungsetagen ein paar Gedanken machen würde, wie man der hauseigenen Versichertenklientel zu mehr Wohlgefühl verhelfen und die gesunden Gutverdiener an Land ziehen könnte. Zwar gibt es zwischen den Kassen eine Art Finanzausgleich: Wer viele chronisch Kranke versichert, bekommt aus dem gemeinsamen Geldtopf der Versicherungen nach einem komplizierten Schlüssel Geld von denen, die eher die Jungen und Gesunden bei sich versammeln. Und doch scheint es sich unterm Strich immer noch zu lohnen, diejenigen zu umgarnen, die hohe Beiträge zahlen und gleichzeitig sorgsam auf ihre Gesundheit achten. Sonst würden die Kassen wohl kaum so penetrant mit Premium-Angeboten locken für alle, die eigentlich ohnehin schon gesund sind: mit Spezialtarifen für Sportler, mit Bonusprogrammen für Präventionswillige, mit Ernährungsberatung zu Vollwertkost und Vegetarismus oder auch mit speziellen Geld-zurück-Tarifen für alle, die das Glück haben, ein ganzes Jahr lang so gesund zu bleiben, dass sie von ihrer Kasse keinerlei Leistungen in Anspruch nehmen müssen.
Wahrscheinlich würde keine Versicherung sich laut dazu bekennen, dass sie sich gern ihre Versicherten nach Einkommens- und Gesundheitsstatus aussucht. Doch als im Jahr 2011 die kleine City BKK aus Stuttgart insolvent ging, standen viele ihrer Versicherten erst mal auf der StraÃe. Andere Kassen zierten sich, sie aufzunehmen, denn die City BKK war eine Kasse mit tendenziell älterer und auch kränkerer Klientel.
Weit offen sind die Türen dagegen für gesundheitsbewusste oder tendenziell besser verdienende Interessenten â wie zum Beispiel für Homöopathie-Nutzer. Die sind wie die Anhänger anderer Naturheilverfahren im Schnitt eher weiblich und haben auch einen höheren Bildungsabschluss als Nutzer konventioneller Methoden. Und sie geben in Umfragen an, dass ihnen ihre Gesundheit besonders am Herzen liegt.
Zufriedene Versicherte bei minimalem Aufwand
Im Kampf um diese anspruchsvollen Mitglieder ist Homöopathie für die Kassen wie geschaffen. Sie ist bekannt und beliebt und schafft eine Menge
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