Die Homoeopathie-Luege
Homöopathie beziehen und andere klar dafür, lassen sich wohl die meisten auf den sanften Wogen des Meinungspluralismus mal hierhin und mal dorthin treiben.
Wesentlich dezidierter prohomöopathisch zeigt sich der Buchmarkt, der Bände über Bände zu Esoterik und ihren medizinischen Spielarten hervorbringt. In Buchhandlungen und Büchereien zwischen den Regalen voller Mystik und Irrationalität wähnt man sich in anderen Sphären, aber nicht im Mitteleuropa des 21.Jahrhunderts. Auch in den Gesundheitsabteilungen quellen die Regale über vor Homöopathie-Ratgebern für den Heim-Heilpraktiker, wobei manche Autoren auch die letzten Fesseln, sprich die Prinzipien Hahnemanns, abstreifen und sich ihre eigene Welt der Wunder zusammenreimen. Oft bleibt nur noch der Markenname Homöopathie übrig, auf dessen Werbewirksamkeit man offenbar nicht verzichten möchte.
Komplettiert wird die Medienlandschaft durch Fachverlage, die zwar überwiegend in der wissenschaftlichen Welt verankert sind, aber für die alternative Klientel eigene Satelliten im Gesundheitsuniversum ausgesetzt haben â womit sie die Strategie der Politik, wissenschaftlich fundierte Medizin und Homöopathie mit zweierlei Maà zu messen, eins zu eins kopieren. In den Lehrbüchern und Fachzeitschriften zu Homöopathie und anderen Verfahren findet dann eine vermeintlich seriöse Wissenschaftskommunikation statt.
Unter dem Strich also können die Medien den Konsumenten kaum Orientierungshilfe bieten. Wie auch? SchlieÃlich wollen sie, wie alle anderen Wirtschaftsbranchen, eine Ware verkaufen, und das können sie nur, wenn sie sich am Konsumenten orientieren. Pluralismus gehört da zum System. Statt also den Graben zwischen rational fundierter Medizin und irrationalen Heilslehren erst einmal gründlich auszubaggern, schütten ihn viele Artikel zu und walzen die Medizinlandschaft platt. Alle Ansätze, so das verbreitete Credo, hätten ihre Berechtigung und könnten voneinander lernen.
Mit GEO Wunder entdecken
Auf einer Hanebüchen-Skala von eins bis zehn würde die Titelgeschichte von Petra Thorbrietz in GEO wohl noch bei eins oder zwei liegen. Das erklärt einerseits die Empörung ihres Chefredakteurs, der die Kritik â in gewisser Weise zu Recht â für überzogen hielt. Andererseits erklärt es auch die Empörung der Kritiker, die gerade solche vermeintlich harmlosen Artikel in angesehenen Medien als besonders gefährlich einstufen. SchlieÃlich untergraben diese das wissenschaftliche Denken viel subtiler und stoÃen so die Türen für Homöopathie und Co. viel weiter auf als jeder Hardliner-Artikel in einem Esoterikmagazin, der ohnehin nur bereits Bekehrte erreicht.
Der Artikel von Thorbrietz steht also programmatisch für eine verbreitete Haltung unter Journalisten: dass die »Schulmedizin« an ihrer Rationalität leide und Erlösung nur die »Alternativmedizin« bringen könne. Die »Schulmedizin« sei kalt, für die Wärme wäre dann die »Alternativmedizin« zuständig. Das ist obendrein eine viel strapazierte Stammtischweisheit â und auch noch exakt die StoÃrichtung der Homöopathie-Verbände. Sie ist vermutlich deshalb so populär, weil sie sich mit der Alltagserfahrung vieler Menschen deckt, dass der übliche Medizinbetrieb in Kliniken und Praxen Defizite in der menschlichen Zuwendung aufweist und die Alternativmedizin gerade dort ihre Stärken hat. Von einer GEO -Autorin hätte man allerdings eine etwas differenziertere Analyse erwartet: Denn tatsächlich sind die Defizite der »Schulmedizin« nicht durch ein rationales Vorgehen bedingt, sondern durch Ãrzte, die einfach ihren Job schlecht machen, sowie durch Lobbyinteressen, die nicht medizinisch-rational begründet sind.
Eine angemessene Sichtweise auf die »neue Heilkunst« wäre also gewesen, die Medizin nicht in die alten Lager »Schul-« und »Alternativmedizin« einzuteilen, sondern in rationale und irrationale Ansätze â die sich jeweils in beiden Lagern finden. So setzen sich Lobbyisten in der »Schulmedizin« über rationale Schlussfolgerungen hinweg, wenn sie etwa auf der jährlichen Untersuchung zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs beharren, obwohl längst belegt ist, dass eine Untersuchung im Abstand von zwei bis drei Jahren für die Frauen sinnvoller wäre. Und umgekehrt
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