Die Homoeopathie-Luege
Wiesenauer: Quickfinder Homöopathie für Kinder . Kein Wunder, dass der Verlag mit dem markanten GU-Logo sein Homöopathie-Sortiment hegt und pflegt: Der Begriff »Homöopathie« führt in der Suchfunktion der Verlagshomepage zu 35 Treffern (Stand 31.07.2012).
Der Papa vom kleinen Medicus und sein Freund, der Ranga
Aber es müssen gar nicht immer die expliziten Homöopathie-Ratgeber sein, die den Kügelchen huldigen. Auch in scheinbar unverdächtigen Medizinwerken für den Hausgebrauch nehmen sich die Autoren der Homöopathie freundlich an. Ein prominentes Beispiel ist der Mediziner Dietrich Grönemeyer, Professor für Radiologie und Mikrotherapie an der Universität Witten/Herdecke, angesiedelt mit seinem privaten »Grönemeyer-Institut für Mikrotherapie« auf dem Gelände der Universität Bochum. Dietrich Grönemeyer, Bruder der singenden Ruhrpott-Ikone Herbert, ist fleischgewordener Pluralismus: Er schafft es wie kein Zweiter, alle mehrheitsfähigen Schlagwörter â wie sanft, liebevoll, zugewandt, Kinder und Zukunft â mit den ebenfalls mehrheitsfähigen Medizinbegriffen Rückenschmerzen, Hightech und Naturheilkunde in seinen All-in-one-Büchern zu verwursten. So ist er sowohl ein Fürsprecher der Apparate- als auch ein Meister der Kuschelmedizin. Hauptsache, es menschelt.
Dabei begnügt sich Grönemeyer nicht damit, sich in den Regalen der Gesundheitsabteilungen mit immer neuen Machwerken wie Mein Rückenbuch â Das sanfte Programm zwischen Hightech und Naturheilkunde , Dein Herz â Eine andere Organgeschichte und Lebe mit Herz und Seele: Sieben Haltungen zur Lebenskunst breitzumachen. Nicht einmal die Buchhandlungen können Grönemeyers Expansionsdrang befriedigen. So treibt sein Segelohrenkobold, ein Junge namens Nanolino alias der »kleine Medicus«, sein Unwesen nicht nur in diversen Büchern und Hörbuchern, sondern auch in einem Spiel, einem Bewegungsprogramm für den Kindergarten, einem Wochenkalender und einem Musical.
Verheerend an Grönemeyers Botschaft ist die Verquickung von Wissen und Spekulation, die der Laie nicht durchschaut. So muss der Leser glauben, dass Akupunktur, Ayurveda und Homöopathie tatsächlich wissenschaftlich anerkannte Verfahren sind. Im Kleinen Medicus (Rowohlt, 2005) bezeichnet Grönemeyer beispielsweise »Spritzen- oder Akupunkturnadelsetzen« als Handwerk des Arztes, so als wären Tetanusimpfungen und Körpermeridiane gleich real. In seinem 2008 erschienenen, 608 Seiten starken Wälzer Grönemeyers neues Hausbuch der Gesundheit (Rowohlt) schreibt er zum Thema Homöopathie: »Es gibt ernstzunehmende Studien, die eine Wirksamkeit von Homöopathika belegen â obwohl niemand weiÃ, warum! Auch hier gilt für mich: Wer heilt, hat recht!« So handlich kann Wissenschaft sein.
Trotzdem gilt Grönemeyer dem Laienpublikum als hochseriöse Kapazität: SchlieÃlich ist er Universitätsprofessor, Gründungsmitglied und Vorstandsvorsitzender des »Wissenschaftsforums Ruhr« und immer gern gesehener Gast im Fernsehen, wo er den berühmten Professor und Gesundheitspapst geben darf. Dabei bieten ihm mitunter selbst Journalisten ein Forum, die sich ansonsten ganz klar von Homöopathie und anderer Esoterik distanzieren. So war Grönemeyer am 10.März 2009 als Experte Gast in der Sendung »Die Quarks-Arena«, in der es um »Die gröÃten Gesundheitsirrtümer« ging. Der sonst so kritische Gastgeber Ranga Yogeshwar stand dabei offensichtlich auf vertrautem FuÃe mit »dem lieben Dietrich«. Ein medialer Ritterschlag erster Klasse â wie sollte der Zuschauer da jemals an der wissenschaftlichen Erdung Grönemeyers zweifeln?
Wiedersehen bei Springer
Anders als die meisten populären Medien, die Wissen und Glauben eher pluralistisch vermengen als klar trennen, separieren die Fachmedien die Welten deutlicher. Sie bieten also zum einen Fachliteratur an, die sich nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin richtet, und daneben auch Bücher und Zeitschriften, denen vor allem die Erfahrungen von Ãrzten und Patienten als MaÃstab dienen. Offenbar wollen die groÃen medizinischen Fachverlage wie Elsevier, Thieme und Springer â der nichts mit dem Axel Springer Verlag zu tun hat â auch im komplementärmedizinischen Themenspektrum Geld verdienen. Solange sich niemand daran stört, ist das eine
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