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Die Homoeopathie-Luege

Die Homoeopathie-Luege

Titel: Die Homoeopathie-Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Heissmann , Christian Weymayr
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einzugestehen, dass es ihm gar nicht besser geht.
    Wenn tatsächlich eine Verbesserung eingetreten ist, kann es auch dafür prinzipiell zwei Gründe geben: Die Verbesserung geht ursächlich auf die Behandlung zurück, oder sie erfolgte bloß zeitnah, aber unabhängig vom Tun des Arztes, weil der Patient auch ganz von allein wieder gesund geworden ist. Man sollte meinen, das zu unterscheiden könne nicht so schwer sein. Dass dies jedoch eine der größten Herausforderungen der Medizin ist, lehrt allein schon ein Blick in die Geschichte, die reich ist an Torturen, die im besten Glauben, aber irrtümlich für Kuren gehalten wurden.
Getrimmt auf kombinieren
    Warum es uns so schwerfällt, ursächlich zusammenhängende von zeitnahen Ereignissen zu unterscheiden, lässt sich leicht beantworten: weil der menschliche Geist darauf getrimmt ist, Ursachen zu erkennen. Er ist wie versessen darauf, »eins und eins zusammenzuzählen«, »den gesunden Menschenverstand einzuschalten« und so weiter. Der Kombinationsakrobat Mensch ist, wie manche sagen, »credoman«. Er sucht für alles eine Erklärung, und je einfacher sie ist, desto besser. Diese Eigenschaft war ganz sicher einer seiner Trümpfe im Spiel der Evolution. Durch sie konnte er das Feuer zähmen, Tiere fangen und Werkzeuge erfinden, und sie hilft ihm auch dabei, seinen Alltag im 21.Jahrhundert zu meistern.
    Doch die Credomanie hat auch ihre Schattenseiten: Sie steht dem Menschen immer dann im Weg, wenn die Dinge nicht so offensichtlich sind oder – noch schlimmer – wenn sie nur offensichtlich zu sein scheinen. Sehr oft, wenn zwei Ereignisse gleichzeitig oder kurz nacheinander auftreten, tappt er blindlings in die Erklärungsfalle. Wie aus einem inneren Zwang heraus glaubt der Mensch, dass zeitlich nahe Ereignisse auch ursächlich zusammenhängen. Er setzt, wie es mit Fachtermini heißt, Koinzidenz mit Kausalität gleich.
    Und so kann jemand, der ein Zuckerkügelchen ohne Wirkstoff zu sich nimmt und daraufhin gesundet, offenbar kaum anders, als eine ursächliche Verbindung herzustellen und fortan an die geistartige Heilkraft des Kügelchens zu glauben. Das gilt sowohl für Patienten als auch für Ärzte – sogar für solche, die ansonsten jeden Hang zu Esoterik und Aberglauben weit von sich weisen. So hat die moderne Medizin erkannt, dass allein auf die persönliche Erfahrung, den Augenschein und die Plausibilität kein Verlass ist. In seiner Credomanie biegt sich der Mensch die Wirklichkeit zurecht, man könnte sagen, er macht sie zu seiner Wirklichkeit.
Die Regeln der evidenzbasierten Medizin
    Solche Selbsttäuschungen ausschließen können nur wissenschaftliche Studien. Nur sie können klären, ob zwei Ereignisse – etwa das Schlucken einer Pille und die Heilung – wirklich kausal zusammenhängen, also das erste Ereignis, das Pillenschlucken, die Ursache für das zweite Ereignis, die Heilung, ist. Doch Vorsicht: Studie ist nicht gleich Studie. Damit eine Untersuchung wirklich aussagekräftig ist, muss sie bestimmten Regeln folgen. Diese Regeln sind so etwas wie Präzisionswerkzeuge, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten unter dem Namen »evidenzbasierte Medizin« (EbM) die Heilkunst revolutioniert haben:
Ein Verfahren, gemeint ist hier eine Methode oder ein Medikament, muss in Studien mit ausreichend vielen Patienten untersucht werden.
In diesen Studien muss das Verfahren mit etwas anderem verglichen werden, im Idealfall mit einem wirkungslosen Kontrollverfahren.
Probanden dürfen dabei nicht selbst entscheiden, ob sie der Behandlungs- oder der Kontrollgruppe angehören wollen, sondern sie müssen per Zufall zugeteilt werden, damit die Gruppen so ähnlich wie möglich sind.
Weder Ärzte noch Patienten dürfen erkennen können, wer das eigentliche Verfahren und wer das Kontrollverfahren bekommt.
Nach einem angemessenen Zeitraum sollen vorher festgelegte Parameter ermittelt werden, die auf eine Wirkung der Behandlung schließen lassen.
    Diese Regeln sind heute von allen medizinischen Fachgesellschaften als der sogenannte Goldstandard akzeptiert. Die Studien heißen RCTs, nach »randomized controlled trial«, oder zu Deutsch kontrollierte Studien mit zufällig zugewiesenen Probanden.
    So weit die schöne Theorie. In der Praxis treten vielfache Schwierigkeiten auf: Nicht immer sind RCTs möglich, und bei Weitem nicht

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