Die Homoeopathie-Luege
besprechen und sie schlossen alle Patienten aus, bei denen sie sich nicht einigen konnten. Obwohl also die Bedingungen sogar weit besser als in der täglichen Praxis waren, ging es den mit homöopathischen Arzneien behandelten Patienten keinen Deut besser als den Vergleichspatienten.
Wilhelm Gaus wachte bei der Studie, die 1996 veröffentlicht wurde, als Biometriker über die formal und biometrisch-mathematisch korrekte Herangehensweise. Inzwischen ist er im Ruhestand. Rückblickend sagt er, dass er sich während seiner langjährigen Forschertätigkeit »unkonventionellen Richtungen nicht verschlossen« hat. »Ich vertrete die Ansicht, dass man sie methodisch anspruchsvoll prüfen soll«, lautet sein Credo als guter Wissenschaftler. Das Ziel der Kopfschmerzstudie war der Nachweis, dass die Homöopathie bei chronischen Kopfschmerzen wirksam ist. Es war keiner im Studienteam, so Gaus, der die Wirkung der Kügelchen widerlegen wollte. Hätte die Studie einen positiven Effekt der homöopathischen Arzneien gezeigt, »wäre das ein Durchbruch gewesen« und man hätte vermutlich weitreichende Rückschlüsse auch auf die Behandlung anderer Krankheiten gezogen.
Aber so? In der Homöopathen-Literatur ist die Studie bestenfalls eine FuÃnote wert, und auf die tägliche Praxis hat sie, so ist zu vermuten, keinerlei Auswirkungen. Es ist ein leider üblicher, wenn auch unfeiner Brauch in der Wissenschaft, mit negativen Ergebnissen anders als mit positiven umzugehen. Wenn die Studien anders verlaufen als erwünscht, hat man etliche Möglichkeiten, die Ergebnisse zu ignorieren, zu marginalisieren oder wegzudiskutieren: Man lässt sie einfach unter den Tisch fallen, indem man sie nicht publiziert, man schiebt die Schuld auf widrige Umstände oder auf methodische Mängel der Studie oder man klammert sich trotz insgesamt negativer Ergebnisse an einzelne positive Details. Ein Trumpf, der immer sticht: Man betont, dass die Studien nur unter bestimmten Umständen für bestimmte Probanden mit bestimmten Erkrankungen und bestimmte Arzneien gelten würden. Für alle anderen Konstellationen â von denen es bei der Homöopathie allein schon deshalb unendlich viele gibt, weil prinzipiell alles eine homöopathische Arznei sein kann â hätten die Ergebnisse keinerlei Aussagekraft.
Der schwere Beweis der Nichtwirksamkeit
Und es gibt noch ein etwas kniffliges, dafür besonders mächtiges Argument, um das Versagen der eigenen Methode nicht eingestehen zu müssen: Nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin ist es wesentlich schwieriger und aufwendiger, manche sagen auch unmöglich, in einer Studie die Unwirksamkeit eines Verfahrens oder einer Arznei zu belegen, als deren Wirksamkeit nicht zu belegen â so, wie es schwierig ist zu zeigen, dass eine bestimmte Schmetterlingsart ausgestorben ist, aber einfach zu beweisen, dass sie nicht ausgestorben ist, weil man dafür nur ein einziges Exemplar finden muss. Für die Medizin ist der Unterschied gewaltig: Wenn die »Unwirksamkeit überzeugend belegt« ist, darf man sagen: Es ist bewiesen, dass das Verfahren nicht wirkt. Es erübrigen sich alle weiteren Versuche, und der Fall ist abgeschlossen. Wenn jedoch die »Wirksamkeit nicht belegt« ist, darf man nur sagen: Es ist nicht bewiesen, dass das Verfahren wirkt. Weitere Versuche sind notwendig, und der Fall ist nach wie vor offen. Aus einem »Wirksamkeit nicht belegt« wird dann in weiteren Publikationen leicht ein »Wirksamkeit noch nicht eindeutig belegt«, sodass am Ende beim Laien â trotz negativer Studienergebnisse â die Botschaft ankommt: Der endgültige Beweis für die Wirksamkeit ist eigentlich nur noch Formsache.
Die an der Kopfschmerzstudie beteiligten Ãrzte und Wissenschaftler überlegten auf dem eintägigen Workshop in Heidelberg intensiv, so Gaus, »warum die Studie nicht zu dem erwarteten und erwünschten Ergebnis geführt hat«. Vielleicht, weil homöopathische Arzneimittel gar keine Heilkräfte besitzen? »Dass sie generell an der Wirksamkeit der Homöopathie bei Kopfschmerzen zweifeln, habe ich nie erkennen können«, sagt Gaus. Sie hätten vielmehr »nach Ausreden« gesucht. So war in der Allgemeinen Homöopathischen Zeitung , die dem Workshop zur Kopfschmerzstudie zwei Ausgaben widmete, im Vorwort lediglich von einem »methodischen Fehlschlag« die Rede â
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