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Die Homoeopathie-Luege

Die Homoeopathie-Luege

Titel: Die Homoeopathie-Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Heissmann , Christian Weymayr
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all ihren Arzneimittelbildern) im Grunde auf wenigen Grundsätzen von plakativem Charme, die auch von Laien verstanden werden: Ähnliches wird mit Ähnlichem geheilt. Was beim Gesunden Symptome hervorruft, kuriert diese Symptome beim Kranken. Je stärker verdünnt und verschüttelt, desto wirksamer die Potenz. Wer sich auf Homöopathie einlässt, kann relativ schnell mitreden und sich mit seiner Methode identifizieren.
    Darüber hinaus befriedigt Homöopathie wohl gerade in unserer durchtechnisierten Welt eine tief verwurzelte Sehnsucht nach dem Geheimnisvollen, Übersinnlichen, nach einer unsichtbaren Macht, in deren Wirkungskreis man sich aufgehoben fühlt. Samuel Hahnemann erhob in seinem Hauptwerk die geistartige »Lebenskraft« zum höheren Prinzip, das dem Menschen sozusagen das Leben einhaucht (siehe Kapitel 1). Eine Vorstellung, die einer religiösen oder spirituellen Bewegung oder der von Magie deutlich nähersteht als einem Medizinkonzept.
    Auch der Neurologe und Psychiater Roland Schiffter vermutet unter anderem im Mystischen der Lehre Hahnemanns eine hohe Attraktivität: »Die immer noch weltweite magische Anziehungskraft der Homöopathie, dieser durchaus weiterhin vorwissenschaftlichen Medizin, mag einerseits mit einem ubiquitären Bedürfnis der Menschen nach Magie erklärt sein, andererseits aber auch mit der Tatsache zu tun haben, dass die modernen Ärzte die subjektiven, menschlichen, psychischen und sozialen Bedürfnisse der Kranken nicht mehr befriedigen können, weil ihnen Zeit und Möglichkeiten für das ausführliche ärztliche Gespräch nicht mehr zur Verfügung stehen«, schreibt der ehemalige Chefarzt der Neurologie im Berliner Vivantes Wenckebach-Klinikum (in Hans-Christian Deter (Hrsg.): Die Arzt-Patient-Beziehung in der modernen Medizin , Vandenhoeck & Ruprecht, 2010). Schiffter befasst sich seit vielen Jahren mit Medizingeschichte in der Epoche der Romantik, in der auch Samuel Hahnemann lebte und wirkte. Im ausklingenden 18. und frühen 19.Jahrhundert stand man dem Übersinnlichen in Form von alternativen Heilslehren, vermeintlichen Wunderheilern und sogar Geistererscheinungen durchaus offen gegenüber. Heilbäder, Heilwässer oder Therapien mit der geheimnisvollen Kraft von Magneten kamen in Mode. Schiffter zufolge stehen Homöopathie und andere Medizinkonzepte dieser Zeit im Zusammenhang mit einem Grundbedürfnis der Romantik, »das Menschsein mit Krankheit und Gesundheit in komplexen großen Zusammenhängen von Kosmos, Erde und Lebenswelt, also in kosmischen, ökologischen, biologischen, psychologischen und sozialen Bezügen zu sehen. Es musste ein großes lebensweltliches System her, das alles menschliche Sosein erklärte und der alt gewordenen, trockenen, rein rationalen Aufklärung alternativ gegenübergestellt werden konnte.« Ein Bedürfnis, das auch heute noch (oder wieder) weitverbreitet sein dürfte und vielleicht die hohe Akzeptanz alternativer Medizin als scheinbare Ergänzung oder Alternative zur »trockenen, rein rationalen« Medizin erklärt.
    Die Homöopathie von heute schafft es allerdings nicht nur, die Sehnsüchte nach dem Mystischen und Sanften zu bedienen, sondern auch, sich in Anpassung an ein Gesundheitssystem, in dem allenthalben nach Forschung und dem belegbaren Nutzen von Therapien gerufen wird, mit der Aura harter Wissenschaftlichkeit zu umgeben: Sie beansprucht das Vokabular und die Methoden der evidenzbasierten, an Daten orientierten Medizin und kann damit auch bei wissenschaftlich vorgebildeten Patienten punkten (siehe Kapitel 3). Im Grunde aber versucht Homöopathie, mit irdischer Wissenschaft etwas zu untermauern, was sie im Grunde längst für überirdisch erklärt hat. Ein Ansatz, der uns ähnlich unfruchtbar erscheint wie der Versuch, Gott mit den Mitteln der Physik auf den Leib zu rücken.
Es gibt viele Anschauungen – aber nur eine Medizin
    Wir möchten niemandem den Glauben an die Homöopathie ausreden. Wer meint, sich in den Welten der wissenschaftsbasierten Medizin und der Homöopathie jeweils das Passende heraussuchen zu können, und wer bei der einen Therapie vom klassisch-pharmakologischen Ansatz ausgeht und bei der anderen von einem mystischen, der den Regeln des ersten komplett zuwiderläuft, der hat das gute Recht dazu. Über alle Ding’, die es – frei nach Hamlet – angeblich noch im

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