Die Homoeopathie-Luege
Offenheit gegenüber der Homöopathie bei jenen besonders stark ausgeprägt, die für die reine Wissenschaft kämpfen und die subjektive ärztliche Erfahrung besonders gering schätzen: bei den Verfechtern der evidenzbasierten Medizin. Um nicht, wie so oft in der Medizingeschichte, Trugschlüssen und Vorurteilen aufzusitzen, misstrauen sie dem »gesunden Menschenverstand« zutiefst und scheuen deshalb die Argumente »unplausibel« und »unmöglich« wie der Homöopath die chemischen Keulen der konventionellen Medizin. Die EbM setzt deshalb keine physikalisch oder physiologisch plausiblen Wirkmechanismen voraus, das heiÃt, sie nimmt bewusst ein naives Naturverständnis ein und betrachtet den Menschen als Black Box. Die Konsequenz: Es gehört zu den ehernen Prinzipien der EbM, nicht danach zu fragen, wie etwas wirkt, sondern nur, ob es wirkt.
So widmet das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (DNEbM) keinen seiner 13 Fachbereiche explizit dem Thema »Komplementärmedizin«. Die Frage nach den Gründen beantwortet Monika Lelgemann, Vorsitzende des Netzwerks, damit, dass die Prinzipien der EbM auf alle Verfahren gleichermaÃen anzuwenden sind, ob nun wissenschaftsbasiert oder alternativ. Das EbM-Netzwerk vertraut also der Unbestechlichkeit seiner Methodik so sehr, dass es sie über alles stellt â wenn es denn sein muss, auch über die Naturgesetze.
Zum Vergleich: Geistartiges Fliegen
Man stelle sich vor, wie sich diese Haltung in einem anderen Kontext, etwa im Bereich der Luftfahrt, auswirken würde: Ein wenig erfolgreicher Flugzeugingenieur verzweifelt am Lärm und den Abgasen von Flugzeugen und den Opfern, die die Unglücke der Luftfahrt fordern. Er grübelt über Lösungen, kommt aber nicht weiter. Eines Tages beobachtet er, wie ein Nachbarsjunge zunächst vergeblich versucht, ein kleines Flugzeug zum Fliegen zu bringen. Dem Jungen gelingt es erst, nachdem er das Flugzeug vor Zorn dreimal auf den Boden geschlagen hat. Dann aber schwebt das Gerät davon, lautlos und ohne Abgase zu produzieren. Der Mann ist wie elektrisiert: Offenbar kann man Lärm und Abgase vermeiden, wenn man das Flugzeug verkleinert! Es fliegt aber augenscheinlich nur, wenn man es vorher dreimal auf den Boden schlägt. Er macht Experimente und findet seine These leidlich bestätigt, aber er beobachtet, dass das Fliegen vor allem dann perfekt und schwerelos gelingt, wenn er das Flugzeug so weit verkleinert, dass es nur noch als geistartiges Konstrukt existiert! Selbstverständlich kann dieses geistartige Fluggebilde auch Passagiere befördern â er selbst kann damit, sobald er die Augen schlieÃt, in Sekundenschnelle an die entlegensten Orte reisen, und er kommt immer wieder heil zurück! Er nennt seine Entdeckung Homöoaeronautik.
Man stelle sich weiter vor, der Mann präsentiert seine neue Art zu fliegen einem groÃen Flugzeugbauer â und findet in dessen Chefentwickler, der einst eine andere verwegene Idee, mit der dann die Konkurrenz Furore machte, abgebügelt hat, einen Verbündeten. Ein groÃes Forschungsprojekt wird gestartet, das die meisten Mitarbeiter im Konzern allerdings eher belustigt, aber sie denken sich: Was sollâs, es kann ja nicht funktionieren. Es wird also ein Original-Passagierflugzeug zerlegt und aus seinen Teilen ein Modell im MaÃstab 1/100 gefertigt. Dieses Modell wird dreimal auf den Boden geschlagen, ebenfalls zerlegt und daraus wieder ein 1/100-Modell gebaut. Diese Prozedur wird 30-mal wiederholt. Die letzten Male führen die Ingenieure nur noch die Handgriffe des Zerlegens, Bauens und Schlagens aus, weil sie bereits keine Materie mehr in Händen halten.
Bevor das neue Fluggerät in Serie gehen soll, verlangt der Aufsichtsrat des Unternehmens, der sich vor der Konkurrenz nicht blamieren möchte, einen Probeflug: Man bittet also Probanden, in einem leeren Flugzeughangar in zwei Gruppen so auf dem Boden Platz zu nehmen, als würden sie in einem Flugzeug sitzen. Den einen sagt man, dass sie nur auf dem Boden eines leeren Flugzeughangars sitzen, den anderen, dass sie es sich in einem geistartigen, aber absolut flugtauglichen und dabei umweltfreundlichen und sicheren Fluggerät bequem gemacht haben, das von erfahrenen Homöoaeronautikern aufwendig hergestellt und äuÃerst sorgfältig durchgecheckt wurde. Alle Probanden sollen die Augen schlieÃen und aufmerksam beobachten, was mit
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