Die Homoeopathie-Luege
schlieÃlich 89 Studien zogen die Forscher ein verhalten positives Fazit: »Die Ergebnisse unserer Meta-Analyse sind mit der Hypothese, dass die klinischen Effekte der Homöopathie vollständig auf Placebo-Effekte zurückgehen, nicht vereinbar. Dennoch fanden wir in diesen Studien ungenügende Belege, dass Homöopathie bei irgendeiner Krankheit klar wirksam ist.« Etwas salopp lieÃe sich das so übersetzen: Es ist doch etwas dran an der Homöopathie, aber was, können wir nicht sagen. Auch wenn die Autoren die Qualität der meisten Studien bemängelten â und dabei auÃerdem kritisch anmerkten, dass viele Studien zwar mit kleinem Budget, aber groÃem Enthusiasmus für die Homöopathie durchgeführt wurden â, lieÃen sie diese Schwäche nicht als alleinige Erklärung für das Ergebnis gelten. Die Forscher schlossen den Abschnitt »Interpretation« mit einem Satz, der am Ende beinahe aller solcher Arbeiten steht und die Diskussion offenhält: »Weitere Forschung über Homöopathie wird benötigt â¦Â«
Von Linde zu Shang
Diesen Gefallen taten ihnen etliche Forscherteams weltweit, und so konnte im Jahr 2005 ein Team um Aijing Shang und Matthias Egger vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin an der Universität Bern erneut den Stand der Wissenschaft auswerten. Sie veröffentlichten ihre Arbeit ebenfalls in The Lancet , mit derselben Frage im Titel wie bei Lindes und Jonasâ Arbeit acht Jahre zuvor: »Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects?« (Band 366, Seite 726). Auch sie fahndeten nach placebokontrollierten Studien zur Homöopathie, aber sie verglichen die 110 gefundenen Studien mit 110 weiteren Studien, die Verfahren der wissenschaftsbasierten Medizin zu den entsprechenden Krankheitsbildern untersucht hatten. Hintergrund des Vergleichs: Die Autoren wollten auf diese Weise mögliche Verfälschungen leichter aufdecken können. Ihr Fazit: »Wenn wir die Analyse auf groÃe Studien mit hoher Qualität beschränken, gibt es keine überzeugenden Belege dafür, dass Homöopathie besser als Placebo wirkt, während für wissenschaftsbasierte medizinische Methoden ein bedeutender Effekt erhalten bleibt.« Am Ende riefen auch sie zu weiteren Studien auf, allerdings nicht zu den Wirkungen homöopathischer Arzneien, sondern zu den »Drumherum«-Effekten und der Rolle der Homöopathie im Gesundheitswesen.
Beide Artikel führten zu lebhaften Diskussionen in The Lancet (Band 351, Seite 365): So las eine englische Ãrztin aus der ersten Arbeit von 1997 ȟberzeugende Belege für den Nutzen der Homöopathie in einem groÃen Bereich von Krankheiten« heraus. Zwei andere Leserbriefschreiber sahen sich sogar ermutigt, Kritikern jenen »blinden Dogmatismus« vorzuwerfen, der die Menschheit beinahe um die Entdeckungen von Galileo, Semmelweis, Pasteur, Einstein und Bohr gebracht hätte. Mit anderen Worten: Wer an der Homöopathie zweifelt, ist nur zu verblendet, um Hahnemanns rechtmäÃigen Sitz im Olymp der Forschungsgötter anzuerkennen.
Doch Linde und Jonas, die Leiter der »positiven« Arbeit von 1997, traten in The Lancet angesichts solch überschwänglicher Interpretationen selbst auf die SpaÃbremse: »Wir teilen diesen Enthusiasmus über die Daten nicht ⦠Die Beweise sind nicht überzeugend und bisher (noch?) nicht unabhängig wiederholt worden ⦠wir glauben nicht, dass man Schlüsse über den klinischen Wert daraus ziehen kann.« Auch nach dem Erscheinen der homöopathiekritischen Arbeit von Shang und Egger im Jahr 2005 meldeten sich die beiden per Leserbrief zu Wort (Band 366, Seite 2081): Sie gratulierten den Kollegen zu ihrer Arbeit und stimmten ihnen zu, dass »Homöopathie hoch unplausibel« und die Beweislage aus placebokontrollierten Studien »nicht robust« sei. Allerdings kritisierten sie schwere Fehler der Arbeit, die deren Schlussfolgerungen zweifelhaft machen würden.
Am Ende zogen Linde und Jonas ein verbittert klingendes Fazit: Zum einen bedauerten sie, dass ihre eigene Analyse von 1997 von Homöopathen als Beleg dafür »missbraucht« wurde, dass die Wirkung ihrer Therapien nachgewiesen sei. Zum anderen seien sie jedoch auch »extrem enttäuscht«, dass The Lancet die Studie von Shang und Egger ebenso missbrauchen würde, und zwar auf eine »unkritische und polemische
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