Die Homoeopathie-Luege
ihnen geschieht. Videokameras nehmen den Test auf. Nach einer halben Stunde werden die Probanden nach ihren Erlebnissen befragt.
Die Auswertung ergibt, dass in der Homöoaeronautik-Gruppe signifikant mehr Probanden Flugerlebnisse hatten, die obendrein intensiver waren und zu weiter entfernten Orten führten als die in der Kontrollgruppe. Die Videoaufzeichnung lässt zweifelsfrei erkennen, dass etliche Probanden leicht hopsten, wobei die in der Homöoaeronautik-Gruppe messbar höher hopsten als die in der Kontrollgruppe. In einem Wiederholungsversuch, bei dem die Probanden nicht mitgeteilt bekommen, zu welcher Gruppe sie gehören, fällt das Ergebnis schwächer aus. Wenn auch die Ingenieure die Gruppenzugehörigkeit nicht kennen, verschwinden die Unterschiede zwischen den Gruppen ganz, aber das liegt daran, so vermuten die Experten übereinstimmend, dass am Tag des Experiments ungünstige Witterungsverhältnisse herrschten und ein besonders starker Kerosingeruch in der Luft lag. Nach mehreren Wiederholungen zeigt auch diese Versuchsanordnung den gewünschten Effekt.
Die negativen Testergebnisse verschwinden in den Schubladen, die positiven werden in Fachmagazinen veröffentlich und von Teilen der Bevölkerung, die sich vom neuen Konzept des Fliegens auch spirituell angesprochen fühlen, enthusiastisch aufgenommen. Obwohl die Entwickler etablierter Flugzeugbauer auf die physikalische Unmöglichkeit der Homöoaeronautik hinweisen und die Flugerlebnisse als »Einbildung« bezeichnen, gründen sich überall auf der Welt Homöoaeronautik-Vereine, die gegen die Ignoranz der etablierten Luftfahrtindustrie aufbegehren. Hinweise von Kritikern, dass Vereinsvertreter für Reisen zu gemeinsamen Treffen dann doch echte Flugzeuge benutzen, werden ignoriert oder damit erklärt, dass eine mafiös vernetzte Flugzeuglobby die Vereinsmitglieder an der Ausübung des geistigen Fliegens hindern würde. Erste Reisebüros bieten Homöoaeronautik an unter dem Slogan: »Die sanfte Art des Reisens« â¦
Stärke und Schwäche der evidenzbasierten Medizin
Dieses Beispiel ist offenkundig absurd. Kein Ingenieur würde die Gesetze der Schwerkraft und der Aerodynamik anzweifeln, kein Flugzeugbauer würde in eine physikalisch unmögliche Idee investieren, und kein Proband würde sich auf so eine Kinderei einlassen. Natürlich hinkt der Vergleich der von uns ausgedachten Homöoaeronautik mit der von Samuel Hahnemann ausgedachten Homöopathie an vielen Stellen. Ein gravierender Unterschied besteht beispielsweise darin, dass Ausgangspunkt der Homöoaeronautik ein echtes Flugzeug ist, das fliegen und auch Passagiere transportieren kann, während die Homöopathie bereits von Ursubstanzen ausgeht, die angeblich Krankheitssymptome beim Gesunden hervorrufen, also dem Gesundsein zuwiderlaufen. Um das Beispiel realistischer zu gestalten, müsste man folglich als Urmodell eines Geräts zum geistartigen Fliegen das Gegenteil eines Flugzeugs verwenden, etwa einen Betonklotz.
Die evidenzbasierte Medizin verhält sich jedoch tatsächlich wie der wohlwollende Entwickler, der die Idee unvoreingenommen prüfen will, weil ihn nicht interessiert, ob es physikalisch überhaupt möglich ist, in einem nicht vorhandenen Flugzeug zu fliegen, sondern nur, ob die Menschen ein Flugerlebnis haben. Welche Folgen diese Unvoreingenommenheit in der Medizin haben kann, zeigt das prominente Beispiel einer Arbeit von Wissenschaftlern um Klaus Linde vom Zentrum für Komplementärmedizin der Technischen Universität München und Wayne B. Jonas vom »Office of Alternative Medicine« an den »National Institutes of Health« in den USA. Die Arbeit erschien 1997 in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet unter dem Titel »Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects?« (Band 350, Seite 834). Um diese Frage zu untersuchen, fahndeten die Forscher nach allen bis dahin publizierten placebokontrollierten Studien zur Homöopathie, analysierten sie und werteten sie einzeln und in verschiedenen Konstellationen aus. In den Studien ging es um die Behandlung verschiedener Krankheiten mit verschiedenen Arzneien in verschiedenen Potenzen. Einen der deutlichsten Effekte zeigte beispielsweise das Mittel »Senfgas C30«, das in einer Studie mit 40 Probanden deren Wunden schneller heilen lieà als ein Scheinpräparat.
Nach der Untersuchung von
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