Die Homoeopathie-Luege
Lehre völlig unvereinbar sei mit dem »Curverfahren der alten Arzneischule«. Letztere hatte er ohnehin schon Jahre zuvor mit der abwertenden Bezeichnung »Allopathie« oder »Allöopathie« belegt. Die Wortfusion aus altgriechisch állos für anders und páthos für Leiden sollte den seiner Meinung nach falschen Einsatz herkömmlicher Arzneien bezeichnen, »welche ein im gesunden Körper andersartiges (allopathisches) Uebelbefinden erzeugen können, als die zu heilende Krankheit darbietet« ( Reine Arzneimittellehre, Erster Theil , Arnoldische Buchhandlung, 1811). Im Lauf der Zeit wurde die Allopathie immer mehr zum Kampfbegriff und Schimpfwort, mit dem sich Homöopathen vehement von allen anderen Medizinern abzusetzen pflegten.
Der Streit zog sich durch die Jahrhunderte und flackerte bis in die 1990er-Jahre hinein immer wieder auf. In kritischen Stellungnahmen distanzierten sich ärztliche Gremien, Fachgesellschaften und Verbände wie die Deutsche Krebsgesellschaft, die Arzneimittelkommission der deutschen Ãrzteschaft, die damalige Deutsche Gesellschaft für Pharmakologie und Toxikologie oder die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) lautstark von unwissenschaftlichen Heilverfahren. Im Jahr 1997 appellierte der in Eisenach versammelte Deutsche Ãrztetag (vergeblich) an die Bundestagsabgeordneten, unkonventionelle Verfahren nicht ohne unabhängige Prüfung ihrer Wirksamkeit von den Kassen bezahlen zu lassen.
Die Medizin hat sich mit der Homöopathie arrangiert
Doch seitdem ist weitgehend Ruhe eingekehrt. Die aufgerissenen Gräben von einst werden heute von Homöopathen durchaus beklagt. »Hahnemann hätte damals wohl die Chance gehabt, die Homöopathie innerhalb der etablierten Medizin anzusiedeln. Er hat sie nicht genutzt«, bedauert Curt Kösters, der die Homöopathie heute für »prinzipiell anschlussfähig an die Medizin« hält. Cornelia Bajic möchte den Dialog zwischen der Homöopathie und der konventionellen Medizin voranbringen: »Man muss sich austauschen und voneinander lernen, Respekt haben vor der jeweils anderen Methode, aber das muss für beide Richtungen gelten.« Längst treffen sich bayerische Homöopathen mit ihren konventionellen Kollegen und diskutieren gemeinsam Fälle von Patienten und mögliche Therapien, obwohl homöopathische Medikamente pharmakologisch der herkömmlichen Arzneikunde widersprechen.
Mit ihrer Charmeoffensive scheinen die Homöopathenbei Vertretern der konventionellen Medizin offene Türen einzurennen: Zwischen Globuli-Anhängern und wissenschaftsbasierten Ãrzten herrscht heutzutage offenbar eitel Sonnenschein. Kaum ein Mediziner lehnt sich mit Kritik an der Lehre Hahnemanns aus dem Fenster. Praktisch kein Dr. med. thematisiert, wie spekulativ die angebliche Wirksamkeit hoch potenzierter Arzneien ist. Selbst Mediziner, die weder Homöopathie praktizieren noch daran glauben, geben sich tolerant oder gleichgültig gegenüber unkonventionellen Verfahren. Manch einer mag vielleicht sogar ganz froh sein, den einen oder anderen »hoffnungslosen Fall« zum alternativen Kollegen durchreichen zu können. »Die Mehrheit der konventionellen Ãrzte hier sieht die Homöopathie gelassen. Sie verstehen nicht, warum es hilft, aber vermitteln die Patienten an uns weiter«, wurde Curt Kösters, damals Zweiter Vorsitzender des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ãrzte, vor einigen Jahren von der Tageszeitung Die Welt zitiert.
Heutzutage erscheint nur noch selten ein homöopathiekritischer Leserbrief oder Kommentar in einem deutschen Medizinerfachblatt. Stattdessen stellen sich die Zeitschriften der Fachverlage anscheinend gern in den Dienst der Homöopathie: In Artikeln dürfen Ãrzte offen und unhinterfragt Homöopathika preisen: für Frauen mit Schwangerschafts- oder Wechseljahresbeschwerden werden sie empfohlen oder gegen eine Reihe von Kinderkrankheiten. Während homöopathische Ãrzte zu Recht umstrittene Methoden der konventionellen Medizin als »nicht evidenzbasiert« kritisieren, dürfen sie im selben Text von Kügelchen schwärmen, deren Wirksamkeit zum einen ebenfalls schlecht belegt ist, die aber zum anderen auch noch jeglicher naturwissenschaftlichen Plausibilität entbehren.
In der ärztlichen Weiterbildung gehen Homöopathen und Ãrztekammern längst
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