Die Homoeopathie-Luege
Apotheke gehen lassen«: »Wir schicken keine Patienten weg und sagen, da kann man nichts machen.« Manchmal ist dann eben ein Kügelchen das Mittel der Wahl. Die Kunden sind zufrieden, zumindest hat sich »bislang keiner beschwert«, und sie braucht sich um unerwünschte Wirkungen keine Gedanken zu machen. »Ohne Homöopathie«, sagt sie deshalb, »würde in der breiten Palette etwas fehlen.«
Ihr Spielraum als Apothekerin beschränkt sich ohnehin auf die »kleinen Wehwehchen«, sagt sie. So hat sie ein waches Auge darauf, dass ihre Kunden keinen notwendigen Arztbesuch unterlassen und sich nicht auf eigene Faust mit Kügelchen kurieren. Auch wenn Petritch »auf die Erfahrungsmedizin« vertraut und gelegentlich selbst Homöopathika schluckt, würde sie beispielsweise einem Krebspatienten, der die Behandlung in die eigenen Hände genommen hat, keine homöopathischen Mittel geben. Selbst Kunden, die nach C30-Präparaten fragen, haben es bei ihr schwer, denn nach homöopathischer Lehre sind diese Hochpotenzen besonders wirksam, was darauf schlieÃen lässt, dass der Kunde ernsthaft krank ist und nun ein »Hammermittel« wünscht. C30-Mittel habe sie deshalb gar nicht vorrätig, sondern nur D6 und D12.
Schulung und Marketing
Petritch ist mit ihrer Haltung, für alle Lehrmeinungen offen zu sein, in guter Gesellschaft: Etwa 3000 Apotheker in Deutschland haben bereits Verträge mit Krankenkassen und Ãrzten über homöopathische Behandlungen geschlossen. Um an dem Dreiecksgeschäft teilnehmen zu können, haben sie sich in Homöopathie weitergebildet und können so ihre Kunden fachgerecht beraten. Dabei bedeutet in diesem Fall »fachgerecht« nicht wissenschaftlich gesichert, sondern im Einklang mit der homöopathischen Gedankenwelt von heute. So kann der qualifizierte Apotheker dem Kunden erklären, dass das wirkstofffreie Präparat Allium cepa C30 ganz anders wirke als das ebenfalls wirkstofffreie Präparat Kalium bichromicum C30, dass exklusiv für Homöopathika das Dosis-Wirkungs-Gesetz nicht gelte, weil nur sie umso stärker wirken, je höher sie verdünnt sind, dass man Hahnemann beim unplausiblen Simile-Prinzip folgen müsse, ihm aber bei der plausiblen Forderung nach Einzelmitteln statt Komplexmitteln getrost widersprechen dürfe, und so weiter.
Weiterbildungen, die den Apotheker in die Mysterien der Homöopathie einweihen, bieten sogar Instanzen der Apotheker an, von denen man erwarten würde, dass sie auch über die wissenschaftliche Qualität ihres Berufsstandes wachen. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe offeriert zum Beispiel ein Seminar, in dem man die offizielle Bereichsbezeichnung âºNaturheilverfahren und Homöopathieâ¹ erwerben kann, wenn man 100 Seminarstunden absolviert, eine Projektarbeit angefertigt und ein Examen vor dem Prüfungsausschuss der Kammer bestanden hat. 36 der 100 Unterrichtsstunden sind ausschlieÃlich der Homöopathie gewidmet. Neben einer Einführung in die Grundlagen geht es vor allem um praktische Aspekte: um die »Auswahl der Homöopathika unter Berücksichtigung der Möglichkeiten und Grenzen« bei diversen Krankheiten, um Homöopathie in der Kinderheilkunde sowie in Schwangerschaft und Stillzeit. Kostenpunkt für das All-inclusive-Paket: 1650 Euro.
Wer es nicht ganz so aufwendig, dafür aber umsatzorientierter haben möchte, kann auf ein Angebot der »Marketing-Gesellschaft Deutscher Apotheker« (MGDA) zurückgreifen, ein Unternehmen des Deutschen Apothekerverbandes (DAV). Die MGDA versteht sich »als Makler zwischen Industrie und Apotheke« und darüber hinaus »als Dienstleister für beide Zielgruppen«. Sie ist also so etwas wie das Schmieröl zwischen der Pharmaindustrie und dem Pharmazeuten vor Ort. Damit es auch im Segment der Alternativmedizin flutscht, hat die MGDA das »Competence Center Natur-Arznei« entwickelt. Als anrüchig wird der Schulterschluss zwischen Hersteller und Verkäufer offenbar nicht gesehen, denn eine Teilnahme am Competence Center wird von der Bundesapothekerkammer mit Fortbildungspunkten belohnt.
Bereits 200 Apotheken in Deutschland, so verrät ein Werbeflyer der MGDA, würden an dem Programm teilnehmen, das sie darin unterstützt, »das Wissen des ganzen Teams auf dem Gebiet der Naturarznei zu erweitern und zu vertiefen«. Und nicht nur das: »Ein
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