Die Homoeopathie-Luege
pharmakologisch-chemisch, sondern mit klinischen Studien argumentiert wird. Dabei sagt Chefredakteur Daniel Rücker: »Dass die Homöopathie zumindest bei hohen Potenzen keine spezifische pharmakologische Wirkung hat, ist klar.« Doch im Blatt setzt er diplomatisch auf Meinungspluralismus: »Wir decken das ganze Spektrum ab. Wir haben Autoren, die der Homöopathie aufgeschlossen gegenüberstehen, und andere, die ihre angenommene Wirkweise medizinisch-naturwissenschaftlich nicht für nachvollziehbar halten.« Damit weià er sich im Einklang mit seiner Klientel: »Das spiegelt sich auch in der Apothekerschaft wider.«
Als AuÃenseiterin muss sich Daniela Biermann in der Redaktion jedenfalls nicht fühlen, so Rücker: »Die Meinung von Biermann wird mehrheitlich geteilt.« Und Daniela Biermann selbst fügt hinzu: SchlieÃlich seien die meisten Kollegen »evidenzgeschult«. Schon im Pharmaziestudium, das noch naturwissenschaftlicher sei als das der Mediziner und in dem Pharmakologie das Kernfach bilde, bekäme man »einen kritischen Blick mit«. Allerdings hätte es an ihrer Universität »keine Reflexion« über Homöopathie gegeben. Dass sie in ihren Artikeln dennoch nicht mit den physikalisch-chemischen Naturgesetzen, sondern mit klinischen Studien argumentiert, begründet sie so: »Die pharmakologischen Argumente kennt jeder.« Doch die Leserschaft würde man damit nicht erreichen. »Das kommt gar nicht mehr an.«
Kügelchen für bare Münze
Wenn also Apotheker ihre pharmakologische Ausbildung verleugnen oder zumindest vergessen müssen, um den Kunden die Heilwirkungen zerstoÃener Bienen und zerriebener Steine in hohen und höchsten Verdünnungen glaubhaft machen zu können, stellt sich die Frage: Lohnt sich das wenigstens? Vordergründig ja: Laut Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) wurden im Jahr 2011 weltweit zwei Milliarden Euro mit homöopathischen Mitteln umgesetzt. Jeder fünfte Euro landete dabei allein in den Kassen deutscher Apotheker. Von diesen knapp 400 Millionen Euro entfielen rund 100 Millionen Euro auf Verschreibungen, die restlichen 300 Millionen Euro auf Selbstkäufe, das heiÃt, ohne dass die Patienten vorher einen Arzt konsultiert hätten.
Nehmen die Apotheker die Homöopathie für bare Münze, müssen sie sich diese 300 Millionen jedoch hart erarbeiten. SchlieÃlich werden die Mittel der Lehre gemäà nicht nach Krankheiten ausgewählt, sondern nach dem Gesamtbefinden des Patienten, das der gewissenhafte Fachmann, ob nun Arzt, Heilpraktiker oder Apotheker, erst in peniblen Befragungen ermitteln muss. Er wird sich damit am Ende, sagt Ursula Sellerberg von der ABDA, »keine goldene Nase verdienen«.
Dennoch sehen Apotheker in einem Ausbau der freiverkäuflichen Präparate, dem sogenannten OTC-Bereich ( over the counter , über den Ladentisch), eine Möglichkeit, dem wachsenden ökonomischen Druck zu begegnen. So in etwa lautete das Fazit einer Umfrage der Apothekerkammer Berlin, veröffentlicht in der Pharmazeutischen Zeitung (17/2012). 51 Prozent der Apotheker rechneten demnach für 2012 mit einem Umsatzrückgang, dagegen nur 12 Prozent mit einer Steigerung. Noch düsterer sehen sie die Zukunft für ihre Erträge: Weil zum Beispiel der GroÃhandel die Rabatte kürzt, rechnen fast alle Befragten mit weniger Gewinn. Eine Chance, dennoch bestehen zu können, sehen die Apotheker vor allem in »Kompetenz und freundlicher Beratung«. Doch auch in der Spezialisierung sehen sie eine Möglichkeit, wie das Blatt schreibt: »Zum passenden Sortiment bedarf es der passenden Qualifikation, zum Beispiel für Homöopathie, Kosmetik und Naturprodukte.« Um wirtschaftliche EinbuÃen im Bereich der verschreibungspflichtigen Mittel auszugleichen, bekämen »das Nebensortiment und der OTC-Bereich für viele Apotheker eine immer gröÃere Bedeutung«.
Rätsel im Reich der Pharmazie
Ãber all den wunderlichen Dingen im Reich der Pharmazie schwebt das groÃe Rätsel, wieso Homöopathika überhaupt apothekenpflichtig sind. Wieso wird bloÃer Zucker, bestenfalls mit Spuren der merkwürdigsten Ingredienzien versehen, unter die Obhut die Pharmazeuten gestellt, wenn doch Supermärkte vor Wirkstoffen strotzendes Obst und Gemüse feilbieten, wenn jeder Kiosk mit den legalen Drogen Schnaps und Tabak handelt, wenn
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