Die Homoeopathie-Luege
Nierenschäden tatsächlich ein Zusammenhang besteht.
Wie dem auch sei: Der Vorfall wirft auch ein Schlaglicht darauf, wie verquer es in der Welt der Homöopathie mitunter zugeht. Nüchtern betrachtet hielt bei dem geschilderten Vorfall das BfArM einer Pharmafirma vor, ihr Mittel habe eine »immunogene Wirkung« â ob nun unerwünscht oder nicht, sei einmal auÃer Acht gelassen, denn bemerkenswert ist doch, dass ihm überhaupt eine immunogene Wirkung, das heiÃt eine Stimulierung der körpereigenen Abwehrkräfte, zugebilligt wurde. Das entspricht ziemlich genau dem, was Homöopathen von den verdünnten Schimmelpilzpräparaten erwarten: dass sie dem menschlichen Organismus helfen, Bakterien-, Viren- und Pilzinfektionen zu trotzen und sich wieder ins Gleichgewicht bringen. Während Forscher weltweit seit vielen Jahrzehnten verzweifelt versuchen, in klinischen Studien eine spezifische Wirkung homöopathischer Mittel zu belegen, bekam hier eine Firma den Wirkbeleg sozusagen amtlich und frei Haus. Und was machte sie? Statt sich die Wirkung ihres Mittels mit Brief und Siegel bestätigen zu lassen, wehrte sie sich mit Zähnen und Klauen.
Reine und Pseudo-Placebos
Und selbst wenn ein homöopathisches Präparat tatsächlich eine pharmakologische Wirkung entfalten sollte, ist und bleibt es ein Placebo, also ein Scheinmedikament. Das ergibt sich zwangsläufig aus dem Selbstverständnis der Homöopathie sowie aus der Definition von Placebo. Ein Arzneimittel ist nur dann kein Placebo, wenn es in der Lage ist, eine pharmakologisch spezifische und obendrein erwünschte Heilwirkung zu erzielen. Zwar gibt es bislang keine einheitlichen Placebo-Definitionen, doch den Aspekt, dass die Wirkung der Substanz einen positiven Einfluss auf die entsprechende Krankheit haben muss, damit ein Arzneimittel kein Placebo ist, enthalten wohl die meisten. Ein Antibiotikum ist demnach ein wirksames Medikament, wenn es gegen Bakterien eingesetzt wird, aber ein Placebo, wenn es Viren bekämpfen soll, was es nicht kann.
So unterscheidet der 200 Seiten starke Bericht der Bundesärztekammer Placebo in der Medizin (Deutscher Ãrzte-Verlag, 2010) zwischen reinen Placebos und Pseudo-Placebos. Reine Placebos sind demnach Scheinmedikamente, »die nur eine pharmakologisch unwirksame Substanz und gegebenenfalls auch Hilfsstoffe wie Geschmackskorrigentien oder Farbstoffe enthalten«. Pseudo-Placebos dagegen sind »pharmakodynamisch aktive Substanzen, die allerdings bei der Erkrankung keine spezifische Wirksamkeit entfalten, entweder weil die Dosis zu niedrig ist oder die behandelte Erkrankung nach herrschender Lehrmeinung nicht darauf anspricht«.
Homöopathika, die gar keine pharmakologische Wirkung erwarten lassen, wie Hochpotenzen, Nahrungsmittel oder biochemisch inaktive Substanzen, sind demnach reine Placebos. Die vermutlich raren Homöopathika, die überhaupt eine pharmakologische Wirkung besitzen, sind grundsätzlich Pseudo-Placebos, da sie dem Simile-Prinzip folgen, das mit etlichen medizinischen Errungenschaften der vergangenen 200 Jahren aufs Neue widerlegt wurde und deshalb nicht der »herrschenden Lehrmeinung« im Sinne der Bundesärztekammer entspricht.
Fern der Pharmakologie
All diese Ãberlegungen zur Pharmakologie homöopathischer Mittel und zu ihrem Status als Scheinmedikament sollten jedem Apotheker so geläufig sein wie einem Polizisten die Verkehrsregeln. Im Alltag treten für den Pharmazeuten jedoch andere Dinge in den Vordergrund: Zum einen das Wissen um die Neben- und Wechselwirkungen pharmakologisch wirksamer Medikamente. So werden immer wieder Arzneien, die er jahrelang nach bestem Wissen und Gewissen an seine Kunden ausgegeben hat, vom Markt genommen, weil sich zeigte, dass Nutzen und Schaden in einem weit ungünstigeren Verhältnis stehen, als bis dahin angenommen. Zum anderen wird er täglich mit Kunden konfrontiert, die sich offensichtlich nur mit einer Bagatellerkrankung herumärgern und selber so vernünftig sind, dafür nicht gleich nach den GroÃkalibern aus dem Waffenschrank der chemischen Pharmaindustrie zu verlangen, sondern die nach etwas »Sanftem« oder »Natürlichem« fragen.
Apothekerin Sina Petritch, die sich, weil sie »wissen wollte, was es damit auf sich hat«, zur Fachapothekerin für Homöopathie und Naturheilkunde weiterbilden lieÃ, will auch solche Kunden »nicht unbetreut aus der
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