Die Hongkong-Papiere
auch Asta, die gut zweihundert Meter höher auf der Berg schulter stand.
Als sie sich umwandte, um ins Tal zu blicken, ließ er sich einfach in den Farn fallen. Wenige Sekunden später war sie hinter der Bergschulter verschwunden. Sie bewegte sich ausgesprochen schnell vorwärts.
Es gab natürlich auch noch einen anderen Weg, obgleich nur ein Narr ihn benutzen würde. Er führte nämlich an der Berg wand empor und über Granitfelsen direkt zum Gipfel. Dillon holte eine amtliche topografische Karte von Moidart heraus und verschaffte sich einen Überblick. Er schaute nach oben. Zum Teufel, alles, was er brauchte, waren starke Nerven, und wenn er ein wenig Glück hätte, gelänge es ihm vielleicht, sie zu überholen. Er band sich seinen Burberry um die Taille und begann mit dem Aufstieg.
Auf den unteren Hängen kam er dank seiner wiedergewonne nen Kraft gut voran, aber nach einer halben Stunde gelangte er zu einem großen, steilen Geröllfeld, dessen Steine sich trüge risch unter seinen Füßen bewegten. Er wich nach links aus, stieß auf den Wasserfall, den er vom Bahnhof aus bereits gesehen hatte, und folgte der Route zur Bergspitze, wobei er sich von Bergschulter zu Bergschulter bewegte.
Schließlich erreichte er das Gipfelplateau, und die letzten Felsen befanden sich vor ihm. Sie waren weniger furchteinflö ßend, als sie vom Bahnhof her ausgesehen hatten. Sie waren bis zum Gipfel von Bachläufen und Kanälen durchzogen. Er sah sich die Route an, verzehrte einen halben Schokoladenrie gel, vergewisserte sich dann, daß er seinen Regenmantel nicht verlieren konnte, und brach auf. Er kletterte zügig und über prüfte jeden Haltepunkt, ehe er ihn belastete. Er blickte nach unten. Der Bahnhof im Tal kam ihm vor wie ein Kinderspiel zeug. Als er das nächste Mal hinuntersah, war das Gebäude verschwunden, eingehüllt in Nebel, und ein kalter Wind kam plötzlich auf und ließ ihn frösteln.
Er schwang sich ein paar Minuten später über die Granitkan
te, die inzwischen auch von Nebel umgeben war. Er hatte genug Zeit im Bergland verbracht, um zu wissen, daß es unter diesen Bedingungen nur eines gab, was man tun konnte: sich hinsetzen und abwarten. Genau das tat er, zündete sich eine Zigarette an und überlegte, wie Asta Morgan wohl vorankom men mochte. Etwa eine Stunde später zerriß eine Windböe den Nebelvorhang, und die Täler lagen dunkel und still im Licht der Abendsonne.
In einiger Entfernung ragte ein Steinhaufen auf und bezeich nete den höchsten Punkt des Berges, aber da war keine Asta. Er blieb auf dem Weg und ging zurück bis zu einer Stelle, von wo aus er fast tausend Meter auf die Eisenbahnstrecke hinunter schauen konnte. Auch jetzt entdeckte er keine Spur von ihr. Demnach war sie vor ihm auf dem Gipfel gewesen, was ihn kaum überraschte. Da sie sich nur an den Weg zu halten brauchte, hatte der Nebel ihr keine Probleme bereitet.
Er machte kehrt, folgte dem Pfad bis zum Abstieg auf der anderen Seite und blieb plötzlich stehen, als er auf das unglaubliche Panorama hinunterblickte. Das Meer in der Ferne war ruhig, die Inseln Rhum und Eigg wirkten wie aus einem Bilderbuch ausgeschnitten, und am dunklen Horizont war die Isle of Skye zu erkennen, die letzte Barriere vor dem Atlanti schen Ozean. Es war eine der schönsten Aussichten, die er je gesehen hatte, und er begann mit dem Abstieg.
Asta war müde, und ihr rechter Knöchel begann zu schmerzen; ein Überbleibsel von einem alten Skiunfall. Den Ben Breac zu überwinden, war doch mühsamer gewesen, als sie es sich vorgestellt hatte, und nun erwartete sie noch ein Zwölf-MeilenMarsch. Was ihr anfangs als hübsche Idee erschienen war, entwickelte sich mehr und mehr zu einer Strapaze.
Der Weg durch das Tal war trocken und staubig und tat ihren
Füßen gar nicht gut. Nach einer Weile gelangte sie zu einem Gittertor mit einem Schild LOCH DHU CASTLE – BETRETEN VERBOTEN. Das Tor war mit einem Vorhänge schloß versperrt. Sie kletterte hinüber und humpelte weiter. Sie erreichte eine Wegbiegung und entdeckte eine kleine Jagdhütte an einem Bach. Die Tür war abgeschlossen, aber als sie die Hütte umrundete, fand sie auf der hinteren Seite ein offenes Fenster. Sie kletterte hindurch und stand in einer kleinen Kochnische.
Es war dämmrig, die Dunkelheit brach herein. Nach einigem Suchen fand Asta eine Petroleumlampe und eine Schachtel Streichhölzer. Sie zündete die Lampe an und ging damit in den anderen Raum. Er
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