Die Horde 1 - Der Daemon des Kriegers
werden.«
»Selbstverständlich. Ja, ich habe den Schlüssel. Dreizehn Jahre habe ich damit zugebracht, nach den einzelnen Puzzlestücken zu suchen, damit ich sie endlich zusammensetzen konnte. Und, nein, du bekommst ihn nicht. Wenn du glaubst, ich würde dir eine solche Macht freiwillig in die Hand geben, bist du noch viel verrückter, als alle von dir denken.«
»Meine Sorge«, erwiderte der Kriegsfürst finster, »ist einzig und allein, dass Audriss ihn nicht bekommt. Das ist alles.«
»Ah, natürlich. Du bist also den ganzen Weg hierhergekommen, hast dich durch eine Stadt geschlichen, deren Einwohner dich nur zu gerne in Stücke reißen würden, bist durch die Hallen der mächtigsten Gilde des Königreiches gewandert und in mein persönliches Arbeitszimmer eingebrochen, nur um mich zu warnen, damit ich Audriss nicht das Mittel in die Hand gebe, das ihn zu einem Halbgott macht? Himmel, ein Glück, dass du gerade noch rechtzeitig gekommen bist. Ich wollte ihm den Schlüssel gleich morgen früh mit einer Brieftaube zuschicken.«
»Nein, ich …«
»Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, dass du dich in den letzten siebzehn Jahren kein bisschen verändert hast. Ich glaube, du hast bloß auf eine Gelegenheit gewartet, genau das Mittel in die Finger zu bekommen, mit dem du den letzten Krieg gewonnen hättest. Ich weiß nicht, ob du mit Audriss zusammenarbeitest, und ich neige fast zu der Überzeugung, dass du es nicht tust, trotzdem stellst du eine Gefahr für mich dar, ebenso wie für meine Freunde und mein Königreich. Ich werde dir nicht nur den Schlüssel verweigern, sondern ich bin auch nicht geneigt zuzulassen, dass du diesen Raum je wieder verlässt.«
Corvis stand auf, Spalter in beiden Händen. Khandas rötliches Glühen drang unter seinem Lederwams hervor. »Glaubst du wirklich, dass du die Macht hast, mich aufzuhalten, Rheah?«
»Wer sagt denn, dass ich dich aufhalten will?«, fragte sie unschuldig.
Man musste Corvis zugestehen, dass er fast schnell genug gewesen wäre, den Hieb abzuwehren, aber nur fast. Die schwere Keule landete auf seinem Kopf wie der Tritt eines wütenden Streitrosses. Er taumelte, und die Streitaxt glitt ihm aus den schlaffen Fingern. Seine Konzentration war ebenfalls gebrochen, weshalb er Khandas Macht nicht beschwören konnte. Baron von Braetlyn griff ihn mit vier seiner Männer an, die alle, wie es schien, einfach aus der Wand neben dem Kamin getreten waren. Jassion schlug immer und immer wieder mit dem schweren Knüppel zu, das Gesicht von Hass verzerrt. Das dumpfe Klatschen von Holz auf Haut wurde rasch von dem schärferen Knacken brechender Knochen abgelöst. Als Jassion endlich aufhörte, die Wangen vor Wut gerötet und schwer atmend, lebte Corvis Rebaine zwar noch, aber falls er irgendwann aufwachte, würde er sich sehr wahrscheinlich wünschen, dass er tot wäre.
»Ich will«, sagte der Baron leise, »diese Magie nicht noch einmal über mich ergehen lassen müssen.«
»Ich weiß, dass es sehr unangenehm war«, entschuldigte sich die Zauberin, während sie zerstreut mit zwei Fingern über die Brosche mit dem Kolibri fuhr, welche den Zauber aktiviert hatte. »Langsame Teleportation ist extrem schmerzhaft, aber sein Dämon hätte es sonst sofort bemerkt. Der Schmerz sollte heute Abend nachlassen, spätestens jedoch morgen früh.«
»Ich glaube aber, dass es sich mehr als gelohnt hat.«
Rheah kniete sich neben den zerschundenen Körper des Kriegsfürsten. Rasch riss sie ihm die Kette mit dem Schmuckstein vom Hals und ließ sie auf den Boden fallen. Dann rieb sie sich abwesend die Finger, als wollte sie ihre Haut von einer Verunreinigung befreien, obwohl die Berührung nur kurz gewesen war, und flüsterte die Worte eines Gegenzaubers. Sie wollte jegliche Magie zerstreuen, die der Dämon möglicherweise auf seinen Herrn gewirkt hatte. Die Magie löste sich unter ihrem Willen auf, und das Holz unter dem Teppich, ganz zu schweigen von etlichen Knochen des Schreckens des Ostens, knackte hörbar, als Rebaines unauffällige Lederkleidung sich wieder in ihre ursprüngliche Form verwandelte: in seine berüchtigte Rüstung aus Stahl und Knochen.
»Hattest du Spaß?«, fragte sie den Baron gereizt und unverkennbar missbilligend. »Es ging darum, ihn gefangen zu nehmen, und nicht darum, ihn zu Brei zu schlagen.«
Jassion fuhr zu ihr herum. Seine Augen glühten. »Ihr könnt von Glück sagen, dass ich ihn nicht auf der Stelle umgebracht habe!« Dann riss er sich zusammen und fuhr
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