Die Horde 1 - Der Daemon des Kriegers
hatte. Nur ein Mann, der sich der schlimmsten Taten schuldig gemacht hatte, konnte sich selbst so sehr verabscheuen.
Fast hätte es gereicht, ihr Mitleid für ihn zu wecken. Fast.
»Woher wusstest du es?«, erkundigte er sich, ohne ihre eindringliche Prüfung zu bemerken.
Rheah lachte auf, kurz und scharf, dann starrte sie ihn an, während sie mit einer Brosche in Form eines Kolibris spielte, dem einzigen Schmuck, den sie trug. »Es war dein eigener Fehler, fürchte ich. Nun ja, du warst schon mal besser darin, Leute zu töten, die dir gefährlich werden könnten.«
Corvis sah sie fragend an. Ganz offensichtlich verstand er nicht.
»Vor ein paar Monaten«, erklärte sie geduldig. »Ein Soldat hat dich erkannt. In Kervone.«
Jetzt endlich begriff Corvis, worauf sie anspielte, und lehnte sich bitter lächelnd zurück. »Seilloah hat mir gesagt, dass sich das noch rächen würde.«
»Seilloah war immer schon die Klügere von euch beiden. Ich darf also davon ausgehen, dass es ihr gut geht? Was ist mit Valescienn? Und deinem Oger-Leutnant, wie hieß er noch gleich? Dabro?«
»Davro«, korrigierte Corvis sie zerstreut. »Damit kannst du mich nicht beeindrucken. Jeder hat die Namen meiner Leutnants gekannt.«
»Ah, wie dumm von mir.« Sie grinste boshaft. »Dann sag mir, wie geht es Khanda?«
Wieder herrschte eine kurze Pause, dann antwortete Corvis merkwürdigerweise: »Nein, das darfst du ganz sicher nicht!«
Sie brauchte eine Weile, bis ihr klar wurde, dass der Kriegsfürst nicht mit ihr sprach. »Wie ich sehe, ist er ebenfalls hier. Eine große, schwachsinnige Familie.«
»Wir haben für solche Spiegelfechtereien keine Zeit. Audriss ist im Anmarsch.«
Die Zauberin hob eine Braue. »Die vorherrschende Meinung lautet im Augenblick, dass Audriss nur der Strohmann für dich ist.«
»Wie bitte? Dieses Ungeziefer? Wohl kaum.«
»Wenn er wirklich Ungeziefer ist und du nicht hinter ihm stehst, was machst du dann hier?«
Corvis beugte sich vor und sah sie eindringlich an. Der Widerschein des Feuers auf seinem Gesicht verlieh ihm fast etwas Geisterhaftes, wie der Widerhall eines Traumes, der nicht verschwinden will. »Er hat meine Familie bedroht, Rheah. Darauf pflege ich nicht allzu freundlich zu reagieren.«
»Deine Familie? Wer um alles in der Welt würde dich heiraten … Rebaine, das hast du nicht gewagt!«
Corvis lächelte fast ein bisschen verlegen. »Genau genommen war es ihre Idee.«
»Irgendwie«, Rheahs Stimme klang nun wieder kalt, »glaube ich nicht, dass Jassion das genauso sieht.«
»Eigentlich will ich sagen!«, fuhr der Kriegsfürst sie an, »dass Audriss etwas haben will, und zwar nicht nur Imphallion. Sollte er das zufällig in die Finger bekommen …«
»Nicht so schüchtern, Rebaine.« Rheah beugte sich aufmerksam vor und bohrte ihren eindringlichen Blick in seinen. »Du willst wissen, ob ich den Schlüssel für das Buch gefunden habe, das du aus Denathere gestohlen hast?«
»Also gut, Khanda schwört, dass du meine Gedanken nicht lesen kannst, aber …«
»Ist es das, was ich vermute?« Die Zauberin schien vor lauter Erregung für einen Augenblick vergessen zu haben, wie sehr sie den Mann vor sich hasste. Ihre Stimme klang erregt, wie der freudige Jubel eines Schulmädchens, das in Erwartung der Geschenke zur Feier des Tages eilig nach Hause läuft. »Ist es Selakrians Zauberbuch?«
Corvis nagte an seiner Unterlippe und trommelte mit den Fingern auf die Spitze des Kholben Shiar. Beinah widerwillig nickte er. »Ja.«
»Ich wusste es!«, krähte Rheah glücklich. »Bei allen Göttern, du hättest es einfach der Gemeinschaft der Zauberer anbieten sollen. Wir hätten dir wahrscheinlich im Austausch gegen dieses Buch Imphallion auf dem Silbertablett serviert!«
Der schwarz gekleidete Eindringling blinzelte verwirrt. »Darüber habe ich nie nachgedacht«, gab er zu. Dann schüttelte er den Kopf. »Aber nein, ich glaube nicht, dass ich das getan hätte. Schließlich wäre ich dann nur mit der Duldung derjenigen König gewesen, die den Code geknackt hätten. Aber als König eine Marionette zu sein ist schlimmer, als gar nicht zu herrschen. Wenn schon ein Halbgott über diese Erde wandeln muss, dann ist es mir lieber, wenn ich es bin.«
»Der große Corvis Rebaine ist also der einzige Sterbliche, der dieser ungeheuren Macht würdig wäre?«, fragte sie sarkastisch.
»Würdig? Ganz und gar nicht. Aber ich traue mir mehr als jedem anderen zu, dieser Verantwortung gerecht zu
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