Die Horde 1 - Der Daemon des Kriegers
dem er gerade eine Strafpredigt hielt. »Zu meiner Zeit haben wir unsere befehlshabenden Offiziere noch respektiert! Wenn wir etwas zu melden hatten, sind wir zu ihnen gegangen und haben es ihnen von Angesicht zu Angesicht berichtet. Damals haben wir nicht wie Waschweiber gekeift und herumgewedelt, oh nein. Wir …« Sein Blick wurde härter, als er die Miene des jungen Mannes bemerkte. »Du hast es eilig, stimmt’s? Hast was Besseres zu tun, als deinem kommandierenden Offizier zuzuhören?«
Der Soldat schluckte. »Das habe ich tatsächlich, Hauptmann! Und Ihr auch.«
»Ich habe mich wohl verhört! Willst du mir etwa sagen, was ich zu tun oder zu lassen …!«
»Kommandeur! Ihr müsst Euch das wirklich ansehen!«
Endlich begriff Garras, und er stöhnte, angewidert von sich selbst. Das Bier hatte ihm offenbar mehr zugesetzt, als er bemerkt hatte. Aber was sollte man auch anderes erwarten, wenn man eine Patrouille kommandierte, die in einem so entsetztlich langweiligen Dorf wie Kervone stationiert war?
Man sollte glauben, beklagte sich Garras häufig, dass in einer Ortschaft, die so dicht an Denathere lag, mehr los wäre. Verdammt, die gesamte Stadt war jetzt feindliches Gebiet. Aber nein … Kervone lag zwei Tagesritte südlich von Denathere und damit offenbar so weit abseits, dass die Schlange es nicht für nötig hielt, sich damit zu beschäftigen. Weshalb Garras mit seiner Einheit eine Stadt bewachen musste, die offenbar niemand angreifen wollte. Garras wünschte sich zwar nicht direkt, dass Audriss diese Ortschaft überrannte, aber er war inzwischen schrecklich gelangweilt.
Vielleicht war ja die Zeit für ein kleines Abenteuer gekommen.
Die Soldaten marschierten hastig über die staubigen Straßen von Kervone und machten dabei so viel Lärm, dass sie die Toten nicht nur geweckt, sondern die Auferstandenen sich auch noch gleich beim Bürgervogt beschwert hätten.
Schließlich erreichten sie den Schlafenden Vagabunden , wo die Soldaten untergebracht waren. Garras war ein wenig außer Atem, doch der Soldat ging nicht zur Tür, sondern marschierte schnurstracks zur Rückseite des Gebäudes, wo er einen scharfen Pfiff ausstieß. Auf dieses Signal hin ließ jemand eine Strickleiter aus einem der Fenster herunter. Der junge Soldat kletterte als Erster hoch, gefolgt von dem leise fluchenden Garras.
Er fühlte sich deutlich besser, als er auf dem flachen Dach der Herberge stand. Der Wachposten, der die in die Ortschaft führenden Straßen beobachtete, war ein dunkelhaariger, dunkelhäutiger Hüne von Mann namens Tuvold. Garras und Leutnant Tuvold dienten schon seit Jahren zusammen. Garras konnte sicher sein, dass der Leutnant einen triftigen Grund hatte, wenn er nach dem Kommandeur schickte.
»Also gut!«, blaffte Garras. »Was ist so verdammt dringend?«
»Das hier, Hauptmann.« Der Leutnant hielt seinem Kommandeur ein Fernrohr aus Messing hin, das wertvollste Ausrüstungsstück der Einheit. »Ich habe wie üblich die Straßen beobachtet«, erklärte er knapp, und seine tiefe Stimme klang gelassen. »Habe nach Kundschaftern und dergleichen Ausschau gehalten.«
Garras nickte. »Du hast etwas entdeckt?«
»Niemand, der uns angreifen würde«, erwiderte Tuvold. »Aber sieh selbst, Hauptmann. In diesem Wäldchen dort, in nordwestlicher Richtung. Nein, weiter westlich, in dem anderen Dickicht. Ja, in etwa da, Hauptmann.«
Garras kniff ein Auge zusammen und presste das andere gegen das Fernrohr. »Ich sehe Bewegung, Tuvold. Vielleicht eine einzelne Gestalt und ein Pferd, aber mehr kann ich nicht … bei allen Göttern!« Er schnappte nach Luft, als das »Pferd« sich bewegte und offenbar einen sonnigen Fleck zwischen dem Schatten der Bäume suchte. »Bei Kassek, das Ding hat die Größe eines Ponys!«
»Es ist sogar um einiges größer, Kommandeur«, antwortete Tuvold. Er klang so ruhig, als wären Riesenechsen etwas, das er tagtäglich vor dem Frühstück zu Gesicht bekam. »Und es kommt noch besser.«
»Tatsächlich? Und wie soll das gehen?«
»Sieh dir mal die Gestalt an, die daneben steht, Hauptmann.«
Garras schwenkte das Fernglas ein Stück zur Seite und zuckte zusammen. Das Blut wich aus seinem Gesicht.
»Ein bisschen groß für einen normalen Wandersmann.«
»Das ist mir auch aufgefallen.«
»Ein Oger?«
»Wüsste nicht, was es sonst sein sollte.«
Garras nickte kurz und versuchte, wenn auch vergeblich, den Oger durch das Laubwerk besser zu erkennen. »Es ist kein Kundschafter«, murmelte er.
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